Nur selten beschäftigen sich die Medien, beschäftigten wir alle uns mit jener Tragödie, die sich seit zehn Jahren an den Außengrenzen der europäischen Union abspielt - der Migrationswelle aus Afrika, die unbeachtet von der Bevölkerung mit harten Bandagen bekämpft und verlangsamt wird. Wer weiß schon, wie viele Dutzend Opfer sie in jedem Jahr fordert, wie viele Menschen Monat für Monat in löchrigen Fischerbooten ertrinken, wenn sie - in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft - im Mittelmeer nach Spanien oder Italien übersetzen? Und wer weiß von den Tragödien, die sich in der Sahara abspielen, in der nahezu täglich unzählige Menschen in der brüllenden Hitze auf überladenen Lastwagen die Fahrt nach Tunesien antreten und sich dafür bei Schlepperbanden hoch verschuldet haben, so dass eine Rückkehr oder ein Scheitern unmöglich ist? Wie viele auf dieser Fahrt verdursten, an Malaria verenden, von skrupellosen Menschenhändlern in der Wüste ausgesetzt oder - sofern weiblich - in Bordelle verschleppt werden?

Der italienische Reporter Fabrizio Gatti hat sich den Torturen dieser modernen Helden, wie er sie nennt, selbst ausgesetzt. Er tritt mit ihnen die Reise von der afrikanischen Westküste durch die Sahara an, bis zum Mittelmeer; er reist unter den Verzweifelten und Todesmutigen, setzt sich selbst den Schikanen der Soldaten und Schlepper aus, stellt sich der grausamen Realität der Migration und beleuchtet dabei die Hintergründe und das lukrative Geschäft mit den Hoffnungen der Hoffnungslosen. Es ist ein packender Bericht, dicht erzählt wie ein Roman, unglaublich in seiner Grausamkeit, seinen apokalyptischen Szenen, seinen Abgründen. Was Gatti erlebt - und tagtäglich hunderte von Menschen ebenfalls erleben - lässt dem Leser die Kinnlade herabhängen und ihn verzweifeln. Nach diesem Buch wird man die sporadischen Meldungen über "illegale Einwanderung", Abschiebungen und Aufrüstung der Frontex-Truppen im Mittelmeer mit anderen Augen lesen.

Fazit: Ein packendes, berührendes und schreckliches Buch, das große Aufmerksamkeit verdient. Fabrizio Gatti hat mit seiner Reportage etwas geleistet, das alles belanglose Journalistengewäsch unserer Tage als bedeutungslos entlarvt, und das den Leser wütend, traurig und entsetzt zurücklässt über ein Drama, das uns in den kommenden Jahrzehnten weiter begleiten wird. Vielleicht eines der wichtigsten Bücher dieser Dekade ...