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Für jeden gestandenen Strategiespieler und Freund von Konflikt- und Militärsimulationen ist es eigentlich ein Albtraum: Kontrollverlust. Wenn man dem Spieler die Möglichkeit nimmt, die eigenen Schlachten selbst schlagen zu können, dann nimmt man ihm auch die Kontrolle, die er über dieses Spiel hat. Was also, wenn man sich bei der Eroberung fremder Länder auf den Willen und die Fähigkeiten anderer verlassen muss, wie es bei Herrschern und Generälen in der Geschichte der Menschheit freilich schon immer der Fall war?
Mit dieser ungewöhnlichen Idee arbeitet das Strategiespiel „Bushido“ des Berliner Kleinverlags GameHeads. Thematisch ist das Spiel im feudalen Japan angesiedelt. Anders als die beiden berühmten Spiele mit dem Titel „Shogun“ finden sich fernöstliche Sitten, Prinzipien und kulturelle Einflüsse in „Bushido“ jedoch tatsächlich wieder. Ziel des Spiels ist es, zuerst 50 Ehrenpunkte oder gen Ende von zwölf Runden die meisten Ehrenpunkte zu erlangen. Dabei gibt es einerseits die Ehre des Herrschers, des Daimyo, und die Ehre des Kriegers, des Samurai. Die Daimyo-Ehre braucht man, um das Spiel zu gewinnen – man erhält sie in erster Linie über die Kontrolle bestimmter Ländereien und über die gesammelte Samurai-Ehre.
Ähnlich wie im Klassiker „Junta“ ist jede Runde ein Spieler der Daimyo, der den anderen Spielern bestimmte Rollen zuweist. Der Spieler, den der Daimyo diese Runde angreifen möchte, wird zum Bushi ernannt. Derjenige, der die Schlacht für den Daimyo austragen soll, ist der Samurai. Ein weiterer Spieler wird zum weisen Sensei, ein fünfter (so vorhanden) zum aufständischen Hatamoto. Nun kann der Daimyo zwar entscheiden, wie viele seiner Truppen auf dem Spielbrett eine Provinz des Bushi angreifen – der Ausgang der Schlacht liegt jedoch nicht in seiner Hand, sondern in der des Samurai. Die Truppenstärke ist auch nicht unbedingt ausschlaggebend für den Ausgang der Schlacht, da der Kampf über Katanamarker entschieden wird, die von jedem Spieler unabhängig gesammelt werden. Je nachdem, wie groß das Interesse des Samurai und des Bushi ist die aktuelle Schlacht zu gewinnen, können sie also mehr oder weniger Marker einsetzen, um den Kampf damit zu entscheiden. Außerdem setzt jeder noch eine nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip funktionierende Taktikscheibe ein, die das Verhältnis der eingesetzten Ressourcen kippen kann. Wer nachher mit seinen eingesetzten Katanas und dem Taktikbonus die höchste Punktzahl erreicht, gewinnt die Schlacht. Samurai oder Bushi erhalten an dieser Stelle Samurai-Ehre, während der Daimyo die Kontrolle über die aktuelle Provinz und damit Siegpunkte und Ressourcen erhält – oder bei Versagen des Samurai eben nicht, woraufhin der Sensei eine angemessene Bestrafung für den Nichtsnutz vorschlagen darf, was bis hin zur Forderung des Seppuku, des rituellen Selbstmords, gehen kann … im Spiel natürlich.
Der Daimyo darf in einer Runde außerdem einen der anderen Spieler zu einer Teezeremonie einladen und sozusagen mit seinen bisherigen Taten prahlen, indem er seine bisher gesammelte Samurai-Ehre in Siegpunkte umwandelt. Doch wehe, der andere lehnt die Einladung ab, das kommt einem enormen Gesichtsverlust und einem Verlust an Siegpunkten gleich. Man sieht schon, das japanische Konzept von Ehre wird in „Bushido“ sehr ernst genommen und thematisch passend finden sich natürlich auch Ronin und Geishas im Spiel wieder – lediglich Ninjas sucht man vergeblich sowie eine geographisch akkurate Repräsentation Japans, denn das Spielfeld besteht nur aus abstrakten Hexfeldern.
„Bushido“ schafft es jedenfalls, ein durchaus frisches, bisher noch ungesehenes Spielgefühl zu erzeugen, schließlich ist man in den eigenen Vorhaben stets auf die anderen Spieler angewiesen. Hat mein Samurai also überhaupt die Ressourcen oder die Motivation, um effektiv für mich kämpfen zu können? Wem kann ich die Rolle des Sensei mit der Lizenz zum Intrigieren anvertrauen, ohne von diesem Spieler vielleicht noch mit einer Geisha oder mit Ronin belästigt zu werden? Welchen Spieler lade ich zu einer Teezeremonie ein, ohne womöglich von diesem noch abgewiesen zu werden?
Das klingt nach spannender Interaktion mit den anderen Spielern, jedoch macht sich „Bushido“ an der Stelle leider selbst zu häufig einen Strich durch die Rechnung. Die Einstiegshürde für das Spiel liegt selbst für gestandene Spieler recht hoch, was in erster Linie daran liegt, dass eine einzelne Runde mit ihren zwölf verschiedenen Phasen enorm umfangreich ist und dass das Kampfsystem gegen die Intuition des Spielers geht. Die Anzahl der für den Kampf eingesetzten Truppen etwa ist meistens ziemlich egal und wird lediglich bei einer Art von Taktikscheibe mit einbezogen. So kann theoretisch eine einzelne Einheit ein Dutzend Gegner besiegen, wenn man nur genügend Katanas einsetzt. Diese Schere zwischen dem, was auf dem Brett stattfindet, und dem eigentlichen Schlagen der Schlacht ist unnötig kompliziert. Dem Spiel hätte eine Entschlackung der Regeln an mehreren Stellen sehr gut getan, ob das beim Austragen und Auswerten eines Kampfs ist oder bei einigen überflüssigen Rundenphasen zwischendurch. In der Praxis wird sich außerdem selten ein Fall finden, in dem eine Teezeremonie abgelehnt werden kann, schließlich findet sich fast immer ein Spieler in einer Position wieder, wo er dies schlicht und einfach nicht tun darf.
Gegen Ende einer Partie kann außerdem das Verzögern des Spielendes recht nervig werden. Über Geishas und bestimmte Taktikscheiben lässt sich der Schluss einer Partie aufschieben, können Spieler gar zum Aussetzen gezwungen werden, was zu einer ungleichmäßigen Verteilung dessen führt, wer wie oft am Zug ist. Auf der anderen Seite geht es vor allem dadurch oft hin und her, stehen mehrere Spieler in einer guten Position, den Sieg zu erringen, kann sich häufig noch alles ändern. Dadurch wird „Bushido“ gleichzeitig spannend und mühsam, ist es ein originelles Spiel mit exzellent umgesetztem Thema, aber zu aufgeblähten Spielmechanismen. Am meisten Spaß macht das Spiel, wenn man in das Thema ein bisschen einsteigt, und sich seiner aktuellen Rolle als Daimyo, Samurai, Sensei oder Bushi auch entsprechend verhält. Dann gerät „Bushido“ fast schon zu einer Art Rollenspiel, in dem das Hickhack auf dem Spielbrett, komplexe Rituale und Beziehungen zwischen den Spielern sowie Kontrollverlust einfach dazugehören.
Wer sich also für das Thema interessiert und ein originelles Konfliktspiel sucht, bei dem man sich gegenseitig schön ärgern kann, der sollte sich „Bushido“ mal anschauen. Über die definitiv vorhandenen Schwächen des Spiels muss man dann eben hinwegsehen können.