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Zunehmend etablieren sich Graphic Novels als ernsthafte Kunstform auch in Deutschland. Politisch und gesellschaftlich relevante Themen mit sozialkritischer Stoßrichtung werden mehr und mehr auch in Comicform verarbeitet und vermarktet. Loïc Dauvillier und Glen Chapron haben nun den Roman "L'Attentat" von Yasmina Khadra in eine Graphic Novel übersetzt und sich damit dem Nahostkonflikt und dem Phänomen der Selbstmordattentate aus einer sehr persönlichen Seite genähert. 2014 ist das Comicbuch in deutscher Übersetzung erschienen.
Amin Jaafari ist Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit. Er arbeitet als Chirurg in Tel Aviv und ist glücklich verheiratet. Mit dem Nahostkonflikt und den Selbstmordattentaten hat er nur zu tun, wenn er die Opfer im Krankenhaus behandelt. Nach einem Anschlag in Tel Aviv, dessen Opfer er operieren musste, erfährt er über die Polizei, dass seine Frau die Attentäterin gewesen sei. Eine Welt bricht für ihn zusammen. Nachdem er einige Zeit braucht, um es zu akzeptieren, begibt er sich auf die Suche nach Antworten. Er will wissen, wie sie ohne sein Wissen zur Selbstmordattentäterin wurde, fährt zu gefährlichen Orten und nimmt Kontakt zu palästinensischen Widerstandskämpfern auf. Die Suche nach Antworten konfrontiert ihn aber mit Fragen, denen er sich bis dahin nie gestellt hatte und er gerät in lebensgefährliche Situationen ...
"Das Attentat" von Loïc Dauvillier geschrieben und Glen Chapron gezeichnet ist eine hochspannende Graphic Novel, die vielen Fragen nachgeht. Wie ein Mensch zum Selbstmordattentäter wird, ist dabei nur der Aufhänger.
Der unpolitische Chirurg in Tel Aviv, der in relativem Wohlstand eine behütete Existenz lebt, wird mit der Realität eines Krieges konfrontiert, der zwar genau vor seinen Augen stattfindet, an dem er sich aber nicht beteiligt fühlt. Sein Bedürfnis zu verstehen, warum sich seine Frau selbst in die Luft gesprengt hat, führt ihn zu Männern, die in einer anderen Welt leben, ihm Antworten geben, die er nicht begreift, aber sein Selbstverständnis in Frage stellen. Was er auf einer privaten und persönlichen Ebene zu verstehen versucht, warum seine Frau ihn auf diese Weise verlassen hat, können ihm diese Männer nur auf politische Weise verständlich machen. So stoßen zwei Erfahrungswelten aufeinander, die kein Verständnis füreinander haben. Das macht den Reiz dieser Geschichte aus und zeigt ganz nebenbei die Komplexität des Nahostkonfliktes auf, in dem die Normalität behüteter bürgerlicher Lebensweisen und die Realität eines Krieges nebeneinander, im selben Raum existieren, und doch irgendwie beide Welten ganz weit voneinander entfernt sind.
Die Stimmung der Geschichte wird durch die Zeichnungen und die Kolorierung hervorragend unterstützt. Die Gesichter drücken in jeder Situation die Gefühlslage nachvollziehbar aus. Verzweiflung, Trauer, Entschlossenheit, der Leser versteht auch ohne die Sprechblasen, was gerade in den Figuren vorgeht. Auch wird die Geschichte sehr stringent erzählt. Einen Roman in Comicform zu bringen, ist nicht leicht. Dauvillier und Chapron ist es gelungen, die Geschichte spannend, verständlich und zielgerichtet zu erzählen. An keiner Stelle, wie es manchmal bei Graphic Novels der Fall ist, geht es zu schnell oder zu langsam voran.
Diese Lektüre lohnt sich in jedem Fall. Sie ist spannend erzählt und nähert sich auf beeindruckende Weise einem sensiblen Thema!