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 Das Leben der Brontes

Autoren: Elsemarie Maletzke
Verlag: Insel

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Im Englischunterricht hat fast jeder mindestens ein Werk der Schwestern Brontë gelesen, ob mit, ob ohne Begeisterung. Seit gut anderthalb Jahrhunderten sind die Meinungen über die drei Autorinnen geteilt, doch zu Lebzeiten wie auch heute faszinieren ihre Bücher und ihre zurückgezogene Existenz in Nordengland viele Menschen. Elsemarie Maletzke beleuchtet in ihrer Biografie Leben und Werk der Schwestern Charlotte, Emily und Anne Brontë und ihres Bruders Branwell.
Zunächst lernt der Leser den irischstämmigen Vater, Reverend Brontë, und das England seiner Zeit mit seinen religiösen und sozialen Eigenheiten kennen. Man erfährt von der relativ kurzen Ehe Brontës mit der jung verstorbenen Mutter seiner Kinder und der Rolle der Tante Elizabeth Branwell, die zunächst nur helfend einspringen möchte und dann moralisch zum Bleiben genötigt wird.
Die Autorin beschreibt den Alltag der älteren Brontë-Töchter in einem Internat, dessen Schrecken Charlotte in "Jane Eyre" festgehalten hat, und dessen schlechten hygienischen Bedingungen, mangelhafter Ernährung und anderen Schikanen die beiden ältesten Schwestern zum Opfer fallen. Auch weiterhin haben die verbleibenden Geschwister keine leichte Zeit. Wenn sie gemeinsam zu Hause sind, erfinden sie zusammen eigene Welten, heutigen Rollenspielen nicht unähnlich, und erstellen deren Chroniken. Vortrefflich berichtet Elsemarie Maletzke von der sehr unterschiedlichen Ausbildung der Schwestern und Branwells, von ersten Stellen als Lehrerinnen, Gouvernanten und Hauslehrer und ihrer Unterforderung dort.
Ein wichtiges Thema ist Branwells Verfall; der Bruder erliegt letztlich seiner Trunksucht.
Detailliert vollzieht die Autorin nach, wie es zur Entstehung und schließlich zur ebenfalls fast zeitgleichen Veröffentlichung der Romane "Jane Eyre", "Sturmhöhe" und "Agnes Grey" kommt - unter den Synonymen Currer, Ellis und Acton Bell. Kurze Zeit später sterben nacheinander Branwell, Emily und Anne. Charlotte ist weiterhin schriftstellerisch tätig und heiratet schließlich noch, doch auch ihr ist kein hohes Alter beschieden.
Die Autorin geht am Ende ihres Buchs auf die "Nachwelt" ein, das heißt, auf ihre Biografin Elizabeth Gaskell und den Nachruhm.

Elsemarie Maletzke hat sich sehr gründlich mit der Familie Brontë befasst und deren Leben und Wirken genauestens recherchiert. Immer wieder erwähnt sie deshalb Fehlinterpretationen in der gängigen Brontë-Literatur, die durch Originalquellen falsifiziert werden.
Besonders liegen der Autorin Zusammenhänge zwischen Teilen der drei Biografien und deren Niederschlag in den Romanen sowie den Gedichten der Schwestern am Herzen; auch Einflüsse ihrer Fantasiewelt werden untersucht. Internate, Stellen als Gouvernanten, Herrensitze, die sie auf andere Weise kennen lernten, doch ebenso das tragische Schicksal ihres begabten, aber psychisch instabilen Bruders haben nachweislich großen Einfluss auf das Werk von Charlotte, Emily und Anne Brontë ausgeübt.
Etwas störend wirkt sich auf den noch nicht versierten Leser der Umstand aus, dass bereits sehr früh auf die Schnittstellen zwischen Biografie und Romanen eingegangen wird, lange, bevor der Leser eine Inhaltsangabe der Romane erhält; dies erfolgt erst spät, da auch die Romane verhältnismäßig spät geschrieben wurden.
Frau Maletzke vermittelt eine erstaunliche Fülle an Fakten und schreibt doch kurzweilig und unterhaltsam; eine streng sachliche Biografie hat sie nicht vorgelegt, sondern ein Buch, das dazu dient, sich in die Geschwister Brontë und ihre Welt einzufühlen und die Rezeption ihrer Werke zu verstehen. In der Tat hat man nach der Lektüre das Gefühl, die Brontës gut zu kennen. Charlottes Scheu vor gesellschaftlichen Verpflichtungen in London nach dem Bekanntwerden ihrer Urheberschaft für "Jane Eyre", ihre unerfüllte Liebe zu ihrem belgischen Lehrer, Emilys tiefe Naturverbundenheit und Eigenbrötlerei und Annes liebenswürdiges Wesen, das aber ein tief gründendes stilles Wasser birgt, werden beim Lesen offenbar und ermöglichen eine wesentlich bewusstere Lektüre der Brontëschen Romane. Auch die Rolle des Vaters, zunächst unterstützend, später, als ihm nur Charlotte bleibt, als Hindernis für ihre Kreativität, wird immer wieder nachgezeichnet.
Eine gelungene, recht üppig bebilderte Biografie, vor allem für Brontë-Liebhaber, die das tragische Leben der Geschwister auf unterhaltsame Weise und mit Tiefgang kennen lernen möchten.

Regina Károlyi



Taschenbuch | Erschienen: 01. November 2008 | ISBN: 9783458351016 | Preis: 15,00 Euro | 508 Seiten | Sprache: Deutsch

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