Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Das menschliche Gehirn ist, könnte man sagen, ein "Gewohnheitstier" und suggeriert uns anhand vertrauter Muster, was wir zu sehen haben, sobald das Auge beispielsweise grundsätzliche Gegebenheiten eines Gegenstandes, einer Ansammlung von Gegenständen oder auch eines Bildes erfasst hat. Dies führt dazu, dass wir optischen Täuschungen erliegen, diese machen sich den genannten Effekt zunutze und suggerieren dem Gehirn wiederum etwas, das es in diesem Kontext nicht erwartet.
Optische Täuschungen verschiedener Art werden nicht erst in neuerer Zeit eingesetzt. Das hier besprochene Buch zeigt, dass diese bereits in der Antike und sogar in vorgeschichtlicher Zeit Künstler wie Publikum fesselten. Chronologisch sind die Inhalte des Buchs jedoch nicht geordnet, sondern nach Kategorien: "Das Auge täuschen", "Doppeldeutige Kunst", "Formspiele", "Die Anatomie des Sehens" und "Jenseits der Wirklichkeit"; innerhalb der Kapitel erscheinen die jeweiligen Künstler dann größtenteils in der Reihenfolge ihrer Geburtsjahre. Am Anfang des Buchs findet der Leser eine kurze Einführung; am Ende stehen ein Index der Künstler und der Bildnachweis.
Schon beim ersten Blättern bleibt der Blick an etlichen Kunstwerken hängen, von denen einige mehr, andere weniger bekannt sind. So treten natürlich etliche Surrealisten im Buch auf, unter anderem Magritte und Dalí. Auch M. C. Eschers "Wasserfall" darf nicht fehlen, ebenso wie zahlreiche Werke noch lebender Künstler wie Gerhard Richter, Jeff Koons, Edgar Müller - ein Autodidakt, der gewaltige 3-D-Pflastermalereien kreiert -, Maurizio Cattelan, Michael Kalish und viele andere.
Dem Trompe-l'oeuil in der Antike sind mehrere Seiten gewidmet, und im Kapitel zur doppeldeutigen Kunst trifft der Leser erstaunt auf eine jungpaläolithische Statuette, die "Venus von Milandes": Je nachdem, von welcher Seite man sie betrachtet, stellt sie eine Frau oder einen Phallus dar.
Arcimboldo, van Eyck, Michelangelo, Hans Holbein der Jüngere, die Mogulschule des 17. Jahrhunderts und Utagawa Kuniyoshi, um nur einige weitere Beispiele zu nennen, sind Zeugen dafür, dass das Spiel mit der Wahrnehmung des Betrachters und die damit verbundenen Möglichkeiten, die offensichtliche Bildaussage infrage zu stellen, sie ad absurdum zu führen oder mehrdeutig beziehungsweise komplex zu gestalten, zu allen Zeiten und in den unterschiedlichsten Kulturen eingesetzt wurde, vor allem in der Malerei und später in der Fotografie.
Im Allgemeinen gesteht das Buch jedem Künstler eine Doppelseite zu; eine Seite erläutert die jeweilige Vita und das Schaffen des Künstlers im Kontext der Illusion sowie das auf der zweiten Seite präsentierte Werk. Nicht selten werden mehrere Werke eines Künstlers vorgestellt, auch diese großformatig und folglich auf mehreren Seiten. Der Verlag hat weder an der Seitenanzahl noch am Format gespart und ermöglicht es somit dem Betrachter und Leser, die Abbildungen in einer Größe anzusehen, die den einzelnen Illusionen gerecht wird. Sowohl die Druck- und Papierqualität als auch die gesamte Aufmachung überzeugen, obwohl der Preis für einen Bildband mit diesem Umfang und Anspruch durchaus moderat ist.
Viele Bilder mögen für sich sprechen, die Texte bieten allerdings eine solche Fülle an interessanten, wissenswerten und in angenehm lesbarem Stil angebotenen Informationen, dass es sich unbedingt lohnt, das Buch auch aufmerksam durchzulesen; doch auch rein um der Freude an den außergewöhnlichen Bildern willen, wird der Kunstfreund das Buch immer wieder einmal gern in die Hand nehmen. Eine so umfassende und abwechslungsreiche Zusammenstellung von Kunstwerken, die auf Illusionen beruhen, dürfte es bislang nicht gegeben haben.
Eine aufschlussreiche und faszinierende Lektüre für jeden Kunstfreund und sicher auch ein spannender Einstieg für Menschen, die gerade beginnen, sich mit der Kunst zu befassen!