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Der dreizehnjährige Arnoud fährt mit seinem Vater nach Demmstervelde. Seine Großmutter, mit der er und sein Vater seit Jahren keinen Kontakt mehr hatten, ist gestorben. Zum Entsetzen des Jungen will seine Vater die Ferien in dem gottverlassenen Dorf verbringen, um das Haus der Oma leer zu rüumen und es dann zu verkaufen.
Arnoud bemerkt bei der Beerdigung eine Gedenktafel auf dem Friedhof, auf der sein Name steht. Er erfährt, dass auf dem Kirchplatz am 15. Juni 1942 zehn Männer von den Deutschen erschossen wurden. Auch sein Großvater, der ebenfalls Arnoud hieß, starb an diesem Tag.
Arnoud erfährt, dass sein Großvater der "Don Juan" des Dorfes war und von zwei Frauen besonders begehrt wurde: von seiner Großmutter und von der Tochter des allmächtigen Barons, dessen Angestellter der Großvater war.
Dann findet Arnoud einen Brief seiner Großmutter. Sie schildert ihre Jugend, ihre große Liebe zu Arnoud und in einem zweiten Brief "beichtet" sie die dramatischen Ereignisse des Tages, an dem ihr Mann erschossen wurde.
Als Arnoud durch Zufall auch die mittlerweile fast achtzigjährige Baronin trifft, ist er völlig verwirrt. Sie liebte seinen Großvater abgöttisch, wird aber seit den Kriegszeiten und der Parteinahme ihrer Eltern für die deutschen Besatzer von den Dorfbewohnern gehasst wie die Pest.
Die alte Frau schildert die Ereignisse von damals völlig anders. Sie bittet Arnoud um Vergebung für ihre Taten in jener Nacht. Durch ihre Schuld sei Arnouds Großvater umgekommen. Nur ein Mensch kann Arnoud nun noch helfen, Licht in die Ereignisse zu bringen, die vierundfünfzig Jahre zurück liegen. Doch Robert, der Bruder seines Großvaters, schweigt hartnäckig.
Der Psychologe Jan de Leeuw schrieb 2004 "Vederland", einen Jugendroman, der sich mit der Besatzungszeit Flanderns im zweiten Weltkrieg beschäftigt. Eingebettet in eine Rahmenhandlung, in der ein dreizehnjähriger Junge versucht, die Vergangenheit und seine eigene Familiengeschichte aufzuhellen, beleuchtet de Leeuw die Generation, die tief verstärt weiterleben musste - ohne Vergeltung, ohne Rache oder Sühne.
Ihr stellt er die Fragen der Generation gegenüber, die den Weltkrieg nur noch von Hörensagen kennt und doch spürt, dass diese Zeit in den alten Menschen immer noch lebendig ist.
Ausgehend von eine fast krimireifen Tat im Juni 1942 entwirft Jan de Leeuw ein Puzzle, das aus völlig unterschiedlichen Perspektiven dargestellte Fragmente enthält, die - stellvertretend für den Leser - ein Dreizehnjähriger versucht zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
Dies ist hochspannend, lehrreich, traurig, dramatisch und unterhaltsam, oft sogar sehr komisch. Dank der lockeren Sprache des Autors, die wunderbar zu unterscheiden weiß zwischen den Gedanken eines Jungen, dem Ton einer Siebzigjährigen und den Äußerungen des Vaters des Jungen, ist das Ergebnis für Jugendliche ab dreizehn Jahren (so die Empfehlung auf dem Buchrücken und der CD-Hülle) genauso gelungen wie für Erwachsene.
Die ungekürzte Lesung von Johannes Steck ist perfekt. Dank seiner variantenreichen Stimme, der gekonnten Intonierung der unterschiedlichen Hauptfiguren des Romans und der ruhigen Art und Weise, in der er die komplizierten Zusammenhänge vorträgt, ist jede einzelne der vierhundertfünf Minuten ein absoluter Hörgenuss.
Der erwachsene Zuhörer fragt sich allenfalls, ob ein Dreizehnjähriger derart reflektiert über die Vergangenheit zu philosophieren vermag, wie der Protagonist Arnoud. Doch genau diese Falle stellt der Autor bewusst. Er verführt den Hörer zu dieser Ansicht, indem er sehr geschickt suggeriert, der Junge würde zu diesen Ergebnissen gelangen, wo es doch der Hörer selbst ist, der diese vollzieht.
Dank einer meisterhaften Komposition verschiedenartigster Versatzstücke, einer leichten, lockeren Sprache und einem "Helden", der dem Hörer schnell ans Herz wächst, ist dieses Hörbuch höchst empfehlenswert.
Ein solch spannendes und gleichzeitig nachdenkenswerte Thematik beleuchtendes Hörbuch ist selten. Leider firmiert es unter "Jugendbuch/Hörbuch für Jugendliche" und entgeht vielleicht vielen Erwachsenen, für die es ein ebenso großer Gewinn wäre wie für Jugendliche ab dreizehn Jahren.