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Mit vorangegangenen Büchern wie "Das geheime Leben der Bäume" und "Das Seelenleben der Tiere" hat Peter Wohlleben bereits einem breiten Publikum seinen Arbeitsplatz, den Wald, vorgestellt. Nun folgt ein weiterer Band des passionierten Försters, in dem es um die kleinen und großen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Lebewesen im Wald geht, dessen Einfluss auf und seine Bedrohung durch das Klima und vieles mehr. Ein wesentlicher Aspekt sind auch die menschlichen Eingriffe mit ihren massiven Folgen und Vorschläge, wie Fortwirtschaft und richtiger Natur- und Artenschutz aussehen und miteinander in Einklang gebracht werden könnten.
In den ersten Kapiteln geht es vor allem um die Auswirkungen der Aktivitäten verschiedener Lebewesen im Wald aufeinander und das große Ganze. Anfangs etwa nennt Wohlleben das mittlerweile durch die Medien gewanderte Beispiel der im Yellowstone Park wieder eingebürgerten Wölfe, die durch die Bejagung von Hirschen eine regelrechte Kettenreaktion auslösten: hin zu mehr Artenvielfalt und einem robusten, natürlichen Ökosystem.
Weitere Kapitel befassen sich mit Klimaveränderungen sowie mit der Evolution, auch jener des Menschen. Den Abschluss bildet ein Abschnitt "Über die wissenschaftliche Sprache".
Wenn geschlechtsreife Lachse, die sich im Meer ordentliche Fettvorräte für ihren beschwerlichen Weg angefressen haben, zum Laichen (und anschließenden Sterben) die Flüsse hinaufwandern, werden viele von ihnen von Bären und anderen Tieren verzehrt. Was übrig bleibt und von den Beutegreifern und Aasfressern ausgeschieden wird, sorgt für eine Düngung des umgebenden Waldes. Umgekehrt wandern große Mengen wichtiger Stoffe vom Festland ins Meer.
Dies ist nur einer der komplexen natürlichen Kreisläufe, von denen Peter Wohlleben in seinem neuen Buch "Das Netzwerk der Natur" schreibt. Im Untertitel werden weitere spannende Zusammenhänge rund um den Wald umrissen: Bäume, vor allem Laubbäume, entziehen dem Boden große Mengen Wasser und scheiden dieses durch Verdunstung wieder aus, wodurch Wolken entstehen. Und tatsächlich können Regenwürmer regulierend auf übergroße Wildschweinpopulationen einwirken.
Wie das alles und etliches mehr im erstaunlichen Biotop Wald und weit darüber hinaus funktioniert, erklärt der Autor in der ihm eigenen anschaulichen und kurzweiligen Weise. In früheren Veröffentlichungen hat er bereits aufgezeigt, dass Bäume, Pilze und andere Gewächse im Forst alles andere sind, als die tumben, Sinnesreizen und dem Fühlen abholden Gesellen, als die wir sie meist sehen – wenn wir sie überhaupt als etwas anderes als "Material" betrachten. Auch über das Seelenleben der Tiere hat er geschrieben. Fakten und Erkenntnisse aus diesen Büchern sind in jenes über das Natur-Netzwerk mit eingeflossen und bereichern es: So gehen die Betrachtungen weit über die Erläuterung von diversen Kreisläufen, Ereigniskaskaden und Abläufen hinaus; ein differenziertes und farbenfrohes, lebendiges Bild vom Wald und seiner Funktion für den "Rest der Welt" und nicht zuletzt uns Menschen entsteht, gerade auch im Hinblick auf den Klimawandel, den Wohlleben realistisch und ohne Beschönigung, doch ohne Panikmache betrachtet.
Es kann angesichts der gewählten Themen nicht ausbleiben, dass der ein oder andere sein Fett abbekommt: Jäger, die durch Zufütterung den Wald mit Wild überfüllen, weil sie genügend Auswahl an vorzeigbaren Jagdtrophäen möchten, und dabei in Kauf nehmen, dass den Tieren jeder Baumschössling zum Opfer fällt. Eine gnadenlos profitorientierte Forstwirtschaft, die noch durch den Öko-Boom befeuert wird, infolge dessen Holz angeblich klimaneutral und nachhaltig verfeuert wird (das Wortspiel sei gestattet). Artenschutz, der hier gar nicht ursprünglich heimische Arten (Beispiel: Auerhahn) auf Kosten der für Mitteleuropas angestammte Buchenwälder typischen Fauna und Flora halten will. Und so weiter.
Ideologischen Eifer entwickelt der Autor dabei nicht, er plädiert fürs Augenmaß und bietet neben zahlreichen fesselnden Einblicken und Informationen auch Lösungsvorschläge für aktuelle ökologische Dilemmata, die sicherlich ein Augenmerk seitens der Verantwortungsträger verdienen.
Ein Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.