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Johannes Kepler hatte sich längst im Bereich der Astronomie und Mathematik einen Namen gemacht, als ein Schicksalsschlag seine Familie traf.
Kepler war 1571 als Spross einer bürgerlichen Familie geboren worden. Dank Stipendien seines Landesherrn erhielt er die Möglichkeit zu einer höheren Schulbildung und zum Studium. Die Ernennung zum kaiserlichen Hofmathematiker durch Rudolf II stellt sicherlich einen Höhepunkt in seiner Karriere dar, hinzu kommen bedeutende Buchveröffentlichungen - am bekanntesten und wichtigsten ist sein Werk "Weltharmonik" ("Harmonice mundi"). Nicht lange nach dessen Erscheinen musste Kepler in seine Heimat zurückreisen, um seine Mutter Katharina zu verteidigen, die wegen Hexerei angeklagt worden war.
Um diesen Prozess, seine Vorgeschichte, Kepler selbst und nicht zuletzt um das Leben in der damaligen Zeit, als Europa sich auf den Dreißigjährigen Krieg zubewegte, geht es im hier besprochenen Buch.
Eingangs bietet es einen chronologischen Überblick über Keplers Leben und seine Veröffentlichungen. Es folgen diverse Informationen, die zum Verständnis des Textes dienen, Kartenmaterial und ein Prolog.
Das eigentliche Buch beginnt mit der Vita von Katharina Kepler, Johannes' Mutter. Eingebunden in den weiteren Verlauf auch von Johannes' Karriere und Privatleben sind Beschreibungen und Erläuterungen des höfischen Lebens im lutherischen Württemberg, Historie und Praxis der Hexenverfolgungen und -prozesse sowie weitere Themen rund um die Lebenswelt der Keplers in Süddeutschland und Österreich. Die natürlich ebenfalls betroffenen, nicht berühmt gewordenen Geschwister Keplers und ihre Rollen im Verlauf von Anklage und Prozess werden ebenfalls betrachtet.
Eine einfache Persönlichkeit war Katharina Kepler wohl nicht, vor allem im Alter; freilich hatte sie eine schwierige Ehe hinter sich, die dazu führte, dass sie ihre Kinder mehr oder weniger allein großziehen und auch versorgen musste. Als eine Frau aus der Nachbarschaft sie der Hexerei bezichtigte, scheint das, wie zu erwarten, für die über siebzigjährige Witwe und ihre Kinder ein Schock gewesen zu sein.
Anschaulich und quellenbasiert erzählt Ulinka Rublack vom Schrecken dieser wohl aus Missgunst oder Rachsucht aufgekommenen Anschuldigung, die immer weitere Kreise zog, von den Beweggründen von Katharinas Kindern, die Mutter zu verteidigen oder sich von ihr zu distanzieren, und von dem Prozess selbst.
Hier erweist sich das eingangs gebotene Material, insbesondere die Zeitleiste und die Karten, als hilfreich zum Verständnis, da die Struktur des Heiligen Römischen Reichs und auch Keplers Vita, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Anklage gegen seine Mutter, durchaus komplex sind.
Da die Autorin nicht nur geradlinig Lebensläufe und Abläufe schildert, sondern auf das gesamte kulturelle, wissenschaftliche und politische Umfeld der Keplers ebenso eingeht wie auf Alltag, Spirituelles und Gebräuche sowie das damalige Rechtsverständnis mit entsprechenden religiösen Einflüssen, ergibt sich eine ganze Kulturgeschichte jener Epoche, die unmittelbar vor einem der größten europäischen Desaster steht, aus der heraus sich jedoch bereits die Aufklärung wie ein Hauch von Morgenrot am Horizont erahnen lässt.
Zudem entwirft die Autorin anhand der Quellen und mittels logischer Schlussfolgerungen ein neues Bild von Keplers Charakter, das massiv mit dem des Wissenschaftlers im Elfenbeinturm kontrastiert. Und natürlich ist da der Prozess. Spannend und detailliert legt Ulinka Rublack ihn dar, wobei sie, wie teils schon erwähnt, auf die Motivation aller beteiligten Parteien eingeht. Auch wenn den meisten Lesern der Ausgang vorab bekannt sein dürfte, bleibt ein Mitfiebern kaum aus. Am Ende hat der Leser einen bleibenden Eindruck von Kepler und seiner Zeit gewonnen.
Für kulturgeschichtlich Interessierte wird hier aufschlussreiche und fesselnde Lektüre geboten.
Die Möglichkeit, online im Buch zu blättern, wird auf der Verlagsseite angeboten.