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Wo immer der Cirque des Rêves, der 'Zirkus der Träume', auftaucht, reiben die Menschen sich verwundert die Augen: Der riesige, ausschließlich in schwarzweiß gehaltene Zirkus mit den eindrucksvollen Zelten erscheint stets über Nacht, scheinbar mitten aus dem Nichts. Nie hat jemand gesehen, wie das riesige Zelt auf- oder abgebaut wurde. Das Programm, das stets nur ab Sonnenuntergang und bis in die frühen Morgenstunden hinein gezeigt wird, ist außergewöhnlich und wunderbar - Artisten, Zauberer und Illusionisten, Wahrsager und Dompteure verzaubern die Besucher auf eine nie dagewesene Art und Weise. Die begeisterten Zirkusgäste ahnen nicht, dass hinter den Kulissen zwei junge Menschen einen uralten Kampf austragen: Der Waisenjunge Marco und die Zauberin Celia sind durch ein Abkommen zweier Magier aneinander gebunden und versuchen in einem Wettstreit, sich gegenseitig zu übertreffen und letztendlich zu besiegen. Doch anders als von ihren Lehrmeistern geplant, verlieben die beiden sich in einander...
Mit "Der Nachtzirkus" wird der Hörer in eine geheimnisvolle, spektakuläre Welt entführt, die wie ein wundersamer Traum anmutet. Erin Morgensterns von langer Hand erdachte Erzählung beschreibt einen fantastischen Mikrokosmos, in dem neben den Protagonisten Celia und Marco der Zirkus selbst die geheime Hauptrolle spielt. Der Nachtzirkus ist kein gewöhnlicher Zirkus, sondern arbeitet mit echter Magie und verändert sowohl die Menschen, die ihn besuchen, als auch die, die für ihn arbeiten. Der schicksalhafte Wettstreit von Celia und Marco tritt im Laufe der Handlung fast in den Hintergrund. Die beiden verlieben sich - wie könnte es anders sein - entgegen den Plänen der beiden verfeindeten Magier, die sich den magischen Wettkampf ausgedacht haben und die beiden Schüler schon von Kindesbeinen an für ihre Zwecke instrumentalisiert und für den nahenden Zeitpunkt der magischen Konfrontation unterrichtet haben. Die Rückseite des Hörbuchs verheißt einen "Kampf auf Leben und Tod" - doch wer ein actionreiches Spektakel erwartet, etwa magische Feuerbälle oder tödliche Duelle, der könnte enttäuscht werden. Statt sich tatsächlich mit Magie zu bekriegen, versuchen Marco und Celia vielmehr, sich mit immer fantastischeren, ausgeklügelten Darbietungen, Gerätschaften und Manipulationen gegenseitig zu übertreffen, wobei der gesamte Zirkus ihre Arena bildet.
Morgensterns Geschichte ist sehr ruhig, sehr sanft erzählt, und das wird dem an und für sich großartig ausgedachten Roman ein wenig zum Verhängnis: Über all die detaillierten Schilderungen des Nachtzirkus, den vielen Schicksalen, die mit ihm verwoben sind, vergisst die Autorin den eigentlichen Handlungsfaden mehr oder weniger. Zweifellos lässt Erin Morgenstern gerade durch die extrem langsame, aber sehr sorgfältige Entwicklung vor dem Auge des Zuhörers lebhafte Bilder entstehen: Man glaubt, das Karamell zu riechen, die traumhaften Darbietungen vor sich zu sehen und die wunderbare Musik zu hören - doch eigentlich würde man gerne erfahren, wie es mit Marco und Celia weitergeht. Morgenstern lässt sich aber extrem viel Zeit, so dass die Geschichte bisweilen vor sich hin plätschert - auch wenn es ein schönes Plätschern ist, das wunderbar entspannend wirkt und zum Träumen einlädt.
Die elf CDs umfassende, ungekürzte Lesung von beachtlichen 849 Minuten wird von Matthias Brandt vorgetragen, der sich perfekt in die traumgleiche Atmosphäre einfügt und das Allerbeste aus jedem Satz herausholt. Nicht ohne Grund hat der Schauspieler im Jahr 2011 den Deutschen Hörbuchpreis erhalten - er ist einfach ein großartiger Vorleser! Wären nicht Brandts einschmeichelnde Stimme, seine großartig sorgfältige Intonation jedes einzelnen Satzes, der Hörer würde die Lesung trotz aller Faszination vielleicht gar nicht bis zum Ende durchhalten, einfach weil sie sich so lang hinzieht und im Grunde keine spannungsgeladenen Momente besitzt. So ist "Der Nachtzirkus" zweifellos ein ungewöhnliches Hörerlebnis mit orginellen Ideen und in schöne Sätze gefassten Bildern, die bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sind und für ein anhaltendes Wohlgefühl sorgen, fast als würde man den Cirque des Rêves selbst besuchen und seine Darbietungen betrachten. Ein wenig Straffung hier und da hätte dem Roman aber auf jeden Fall gut getan.
Auf der Website des Hörbuch Hamburg-Verlags gibt es hier eine Hörprobe.