"Die Angestellten des 21. Jahrhunderts" haben es nicht leicht: Als Reservearmee des postindustriellen Zeitalters sind sie ein entindividualisierter Haufen, eingebunden in gängelnde Arbeitsbedingungen und in steter Sorge um ihren Arbeitsplatz, müssen sich aber zugleich einen persönlichen Anstrich geben, da dies von ihnen erwartet wird - oder sie es vielmehr von sich selbst erwarten. Der berufliche Stress geht deshalb in der Freizeit weiter. Im Fitnessstudio arbeitet der Angestellte an seinem Körper, um im alltäglichen Attraktivitätswettbewerb mithalten zu können, abends wird rasch am PC der Flug nach Teneriffa bei einer Billig-Airline gebucht, und zur (scheinbaren) Erholung gehts dann zur Wellness-Kur - natürlich im Heiligtum eines jeden Angestellten: dem Auto.
Wie man sieht, sind Oliver C. Errichiello und Arnd Zschiesche auf die Angestellten des 21. Jahrhunderts nicht allzu gut zu sprechen. Voller Häme stellen sie ihre literarischen Opfer an den Pranger der Mittelmäßigkeit und zeichnen sie als angepasste, langweilige und postindividuelle Figuren, die nicht einmal Mitleid verdienen. Das ist platt? Durchaus. Aber auch witzig - denn viele der Klischees, auf denen Errichiello und Zschiesche herumreiten, stimmen natürlich, und in einigen findet man sich (ob nun Angestellter oder nicht) durchaus wieder. So kann man sich bei der boshaften Schilderung von Fitnessstudios oder chinesischen Restaurants - dem bevorzugten "exotischen" Rückzugsort der Angestellten - kaum ein Lächeln verkneifen, und einige Zitate exemplarischer Angestellter zum Thema Liebe, Geld oder Mode hat man in der Tat bei manchen Smalltalk-Situationen bereits vernommen. Theoretisch unterfüttert sind die Hasstiraden mit Verweisen auf Siegfried Kracauer (der in den 1970er Jahren eine lesenswerte Untersuchung über "Die Angestellten" vorgelegt hat), Georg Simmel, Daniel Bell und andere Soziologen, Kulturwissenschaftler und Kapitalismuskritiker. Allerdings werden deren Thesen nur angerissen; sie dienen als eine Art höhere Instanz nur dazu, die Fallhöhe der Autoren zu den verachteten Angestellten aufrechtzuerhalten - eine etwas durchsichtige Vorgehensweise, die dazu führt, dass dieses Buch oft im Klamauk verharrt. Die durchaus richtig erkannten Phänomene und Verhaltensweisen "der Angestellten" werden so stark verallgemeinert und verzerrt, dass man als Leser fast dazu neigt, die Geschmähten zu verteidigen, zumal die bösen Attacken gegen Ende hin ein wenig ermüden.
So geht dem kleinen bösen Pamphlet auf halber Strecke die Luft aus und ist im Nachhinein gar nicht so fies, wie es zunächst den Anschein hat. Zu früh verschießen Enrichiello und Zschiesche ihr satirisches Pulver; zurück bleibt eine zwar witzige, aber eben nicht brilliante Attacke auf "Die Angestellten des 21. Jahrhunderts", die - man ahnt es schon - vermutlich auch das Zielpublikum dieser Publikation darstellen. Denn wer ein wenig Selbstironie besitzt, hat hier das ideale Geschenk für den Bürokollegen parat - und kann sich neben dem versöhnlichen Vorwort von Konstantin Wecker auch an den treffenden Karikaturen von Tomi Ungerer ergötzen. Alles in allem bleibt festzuhalten: ein unterhaltsames Buch, auch wenn man den gewetzten Messern der beiden Autoren etwas mehr Schärfe gewünscht hätte.