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Als Lucy Adams an einem stürmischen Abend im Februar des Jahres 1846 in die Tombs, dem Hauptquartier der erst vor Kurzem gegründeten New Yorker Polizei, "hereinschneit", weiß Timothy Wilde noch nicht, dass ein ungewöhnlicher Fall auf ihn wartet. Zwar wird sehr schnell klar, dass Mrs. Adams den Entführungsfall ihrer Schwester Delia und deren Sohn Jonas zu melden hat. Doch dass anno 1846 zwei Menschen, welche nicht reinweißer Hautfarbe sind, verschwinden, ist erst einmal nur traurige Realität. Schließlich treiben auch im liberalen New York Sklavenjäger ihr Unwesen. Doch spätestens als Charles Adams, der weiße Ehemann Delias, ins Spiel kommt, nimmt der Fall neue Ausmaße an. Hinzu kommt, dass offensichtlich auch Silkie Marsh, eine Bordellbetreiberin und die ehemalige Geliebte von Timothys Bruder Valentine, eine zwielichtige Rolle spielt. Und als ob das nicht bereits genug ist, gerät plötzlich auch noch "Time" Bruder "Val" nach einem raffinierten "Mord" mitten in den Fall.
Es gibt Momente, da verschwindet die Wirklichkeit, um mich herum. Ich las, was da vor Jahren in Mrs. Adams' Haut eingeritzt worden war, und dann war da plötzlich nichts mehr als die schwindelerregende Welt eines Fiebertraums [...]
Mit dem Nachfolgeroman zu "Der Teufel von New York" begibt sich Lindsay Faye erneut in das New York um die Jahrhundertmitte des 19. Jahrhunderts. Nach wie vor ist die neu gegründete Polizeieinheit, zu der auch der Ermittler Timothy Wilde gehört, alles andere als eine funktionierende Institution, die anerkannt ist. Da wirkt die Hauptfigur des Romans, Tim Wilde, fast schon wie eine Galionsfigur des Guten, welche dem Sumpf aus Korruption und Ungerechtigkeiten mit Verve entgegentritt. Lindsay Faye entwirft so einen Helden, der vor nichts zurückschreckt. Egal ob fiese Sklavenjäger, Kollegen oder Richter, Tim Wilde kämpft für das Gute. Doch was ihm als literarische Figur fehlt, sind - ganz im Gegensatz zu seinem Bruder Val - die Ecken und Kanten. Denn so recht kann man es als Leser einfach nicht glauben, dass es da nicht doch eine nennenswerte menschliche Schwäche gibt. Hinzu kommt, dass der Leser an keiner Stelle ernsthaft Angst hat, dass Tim Wilde scheitern wird, obwohl er immer wieder auf Hilfe angewiesen ist.
"Sie können sich darauf verlassen, dass wir alles versuchen werden", sagte ich. Erzählen Sie mir einfach, was passiert ist, und ich werde die Sache in Ordnung bringen."
Weitaus interessanter als der glatte Tim Wilde ist da schon manch anderer Akteur, wie der selbstverliebte Bruder Valentine oder die undurchschaubare Silkie Marsh, die als Strippenzieherin im Untergrund von New York wirkt. Auch der stumme sechsjährige Schornsteinfegerjunge Jean-Baptiste oder die blinde Mrs. Higgins, beide Schwarze, sind durchaus interessante Charaktere, doch bleibt angesichts der Vielzahl an Figuren zu wenig Zeit, einzelne Nebencharaktere weiter auszugestalten. Gänzlich verborgen bleibt dem Leser zudem die Rolle des Waisenkindes Bird Daly, sofern er nicht den Vorgängerroman kennt.
Was der Roman allerdings in jedem Fall zu bieten hat, ist ein kurzweiliger Kriminalfall, der auf unnötige Nebenhandlungen weitgehend verzichtet sowie eine ungewöhnliche Auflösung parat hält. Immer wieder legt Lindsay Faye dabei auch genretypische Fährten aus, die sich jedoch nicht immer so dramatisch entwickeln als dies für einen Kriminalroman, bei dem der Leser mitfiebert, wünschenswert wäre. So fließt der Roman eher dahin, als dass er bis ins Letzte fesselt. Zu schnell sind die Fronten zwischen Gut und Böse verteilt, zu schnell die Täter klar. Dennoch als Feierabend-Krimi taugt dieser allemal, da sich der Leser nicht auf verschiedene Perspektiven einlassen muss, sondern einen Helden namens Timothy Wilde präsentiert bekommt, der es mit der mächtigen Welt der Sklavenjäger aufnimmt. Und die Auflösung des Tathergangs birgt dann doch auch noch Überraschendes.
Als das Schreckliche passierte, schrecklicher als alles, was ich mir hätte vorstellen können, war ich gerade damit beschäftigt, eine einleuchtende Erklärung für einen Vorgang zu suchen, der mir wie ein kleines Wunder vorkam.
Nicht zuletzt taucht der Leser zusammen mit Timothy Wilde und den Mitgliedern des Bürgerschutzkomitees, einem Verein, welcher sich für die Rechte entlaufener Sklaven einsetzt, in das historische New York des 19. Jahrhunderts ein. Durch genaue Beschreibungen und viele Vergleiche versucht Lindsay Faye so die damalige Zeit wieder aufleben zu lassen, was ihr an vielen Stellen gut gelingt. Einzig die zum Teil allzu gehäuft eingesetzten Vergleiche wirken auf Dauer etwas gekünstelt.
FAZIT: Ein Kriminalroman, der aufgrund des interessanten Themas, der klaren Handlungsstruktur und der einfachen Charaktere seinen Platz in den Bestseller-Regalen finden wird, auch wenn die Hauptfigur einfach zu gut ist, um authentisch zu sein.
Weitere Informationen zum Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.Außerdem gibt es zum Buch auch eine Hörfassung.