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Wer alte Autos fotografiert, hält sich im Allgemeinen an liebevoll und detailverliebt restaurierte, chromblitzende Oldtimer, wie man sie in Museen und nicht zuletzt bei entsprechenden Rallyes, Messen und Ausstellungen findet.
Anders Thorsten Müller, dessen vergleichsweise rares Sujet "wilde" Autofriedhöfe sind, wie man sie sich im durchreglementierten Europa gar nicht mehr vorstellen kann. Doch es gibt sie, und Müller hat einige von ihnen aufgesucht und dort fotografiert: PKW, die heute sämtlich als Oldtimer gälten, teilweise noch vor den 50er-Jahren gebaut, in eindrucksvollen Gesamt- und Detailaufnahmen, aus unterschiedlichsten Perspektiven.
Sämtliche Abbildungen werden von kurzen Informationen zum Fahrzeugmodell, gegebenenfalls mit "Spitznamen" wie "Weltkugel-Taunus" (Ford Taunus 12M G13), Baujahr(-en), gebauter Stückzahl, Motordaten, Höchstgeschwindigkeit, Gewicht und Länge begleitet.
Hier blitzt und funkelt nichts, es dominieren die Farben Grün seitens der die Wracks in Besitz nehmenden, umgebenden Natur sowie Rost-Rotbraun, bisweilen haben sich jedoch größere bunte Lackflächen erhalten und bilden einen verblüffenden Kontrast.
Sympathisch erzählt der Fotograf am Anfang jeder Serie zu einem bestimmten Autofriedhof davon, wie er diesen entdeckt hat, und von den Menschen, die ihm in diesem Zusammenhang begegneten: als Tippgeber, mit Auskünften zu einzelnen Modellen, als Besitzer, die ihn freundlich auf ihrem Grund ihr Eigentum fotografieren ließen, oder als Gleichgesinnte. Dies lässt den Leser und Betrachter ein Stück weit an Müllers Passion teilhaben und sie verstehen.
Wegweiser bietet der Fotograf nicht, auch, um die Friedhöfe vor möglichem Vandalismus zu schützen.
Die Wracks sind eingekeilt zwischen Bäumen, die manchmal zwischen Stoßstange und Korpus emporwachsen, manchmal auch das Innenleben erobert haben, sie sind von Laub, Moos und Flechten bedeckt und wirken bisweilen wie außergewöhnliche Pflanzkübel. Leere Scheinwerferaugenhöhlen schielen den Betrachter an, bisweilen sind die Gläser noch intakt und simulieren melancholische Blicke. Der Fotograf fängt Stimmungen ein, andere Fotos wiederum stellen bewusst ungewöhnliche, für das jeweilige Modell typische Einzelheiten heraus, zum Beispiel ungewöhnlich geformte Blenden am Heckscheinwerfer. Dann wieder steht der eigenwillige Bewuchs im Vordergrund. Vom simplen Lada oder Käfer über Kleinbusse wie den Volkswagen Typ 26 T1 bis hin zu Oberklassewagen findet sich das gesamte Spektrum der größtenteils von den 40er- bis in die 60er-Jahre produzierten PKW, darunter manche Rarität, und die Fotos und ihre Aussagen sind so unterschiedlich, wie es die Wagen einst waren, die einander nun im Verfall ähnlich werden. Manchmal wirken die Aufnahmen allerdings zu eng, was den Platzverhältnissen vor Ort geschuldet ist.
Bei den Aufnahmen besticht neben der Vielzahl von Typen, Hintergründen, Perspektiven, gewählten Bildausschnitten (Übersicht/Detail) und dazugehörigen Geschichten nicht zuletzt die Druckqualität, dank derer die Fotos angemessen präsentiert werden, wozu auch das recht großzügige und durchdachte Layout beiträgt, das den einzelnen Fotos genügend Raum gibt.
Ein ungewöhnliches Buch, das definitiv nicht nur für Oldtimer- oder pauschal Autoliebhaber und Fans von Marodem gedacht ist, sondern auch manchem Fotografiefreund gefallen dürfte, den es interessiert, wie man sich einem außergewöhnlichen Thema intensiv und dabei fesselnd annähern kann. Eine interessante Mischung aus Dokumentation und Interpretation. Definitiv empfehlenswert!
Eine
Leseprobe bietet die Verlagsseite zum Buch an.