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Eine Geschichte der islamischen Welt im 21. Jahrhundert zu schreiben ist nicht nur eine geschichtswissenschaftliche Arbeit, sondern angesichts des aktuell spannungsgeladenen Verhältnisses der westlichen zur islamischen Welt auch eine hochgradig politische. Reinhard Schulze will mit seiner umfassenden Studie das Verständnis die islamische Welt erweitern und vertiefen. Dazu hat er eine ausführliche Darstellung der Entwicklung vom Vorabend des Ersten Weltkrieges bis hin zum Arabischen Frühling vorgelegt, die einen Schwerpunkt sowohl auf die säkulare Geschichte der Region zwischen Marokko und den Philippinen als auch auf Unterschiede in den verschiedenen Ländern setzt.
Reinhard Schulzes Darstellung der Geschichte der islamischen Welt geht streng chronologisch vor und beschreibt in acht Kapiteln lückenlos die historische Entwicklung von der Endphase des Osmanischen Reiches an. Der Text ist dicht geschrieben und beschränkt sich nicht nur auf Ereignisgeschichte. Schulze versucht das Geschehen nicht selten auch in Modellen und Kategorien begreifbar zu machen, die stark an soziologischen Arbeiten erinnern. Für das Verständnis ist dieser Stil oft hilfreich, wirkt aber an manchen Stellen unnötig, da nicht jedes Geschehen in Diskursfelder oder Ähnliches eingeordnet werden muss, um es zu verstehen.
Die Gliederung des Buches überzeugt, da die gewählten Zeitabschnitte für jedes Kapitel sich nicht nur an weltgeschichtliche Daten, sondern an Ereignissen und Entwicklungen innerhalb der islamischen Welt orientieren. So gliedern nicht westliche Ereignisse die Erzählung, sondern diejenigen der behandelten Region selbst. Jedes Kapitel ist auch für sich gut lesbar, wenn der Leser nicht an den gesamten Betrachtungszeitraum des Buches interessiert ist.
Herauszuheben ist, dass der Autor hier keine Geschichte des Islams präsentiert, sondern eine politische Geschichte einer breiten Region, deren Klammer die Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Religion bildet. Er arbeitet für die behandelten Länder verschiedene politische Strömungen heraus, die denen in der westlichen Welt gar nicht so unähnlich zu sein scheinen. Dieser Perspektive erlaubt es, die islamische Welt von innen heraus mit ihrer ganzen Differenziertheit und ihren inneren Entwicklungslinien zu verstehen. Das Vorurteil diese Region sei ausschließlich auf den Islam bezogen zu begreifen, wird so durchbrochen. Er ist eben nur ein Aspekt in der Geschichte dieser Länder. Diese Erkenntnis ist die stärkste Leistung der "Geschichte der islamischen Welt", und allein deswegen lohnt es sich, es zu lesen.
Insgesamt ist dieses dicke Buch eine umfassende und dichte Darstellung der Geschichte der islamischen Welt aus einer inneren politisch-säkularen Perspektive mit einem vielleicht leichten Überschuss an soziologischer Kategorisierung. Sehr zu empfehlen!
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.