Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Der Irakkrieg war eines der bedeutendsten Ereignisse der letzten zehn Jahre, dessen historische Folgen noch lange nicht abzuschätzen sind, weder für die westliche noch für die arabische Welt. Nachdem die USA ihr militärisches Personal im Irak schrittweise stark reduziert und Afghanistan wieder in den Fokus des Interesses genommen haben, scheint die Zeit gekommen zu sein, dass erste Autoren sich an eine Geschichte dieses Krieges heranwagen. Der Politikwissenschaftlicher Stephan Bierling hat eine solche nun vorgelegt.
Auf 253 Seiten in elf Kapiteln rekapituliert er die gesamte Ereignisgeschichte von der frühen Unterstützung Saddams durch die USA in den 1980ern, dem ersten Irakkrieg und dem 11.9.2001 über die politischen und militärischen Ereignisse der Kriegs- und Besatzungszeit bis hin zur Abzugsphase seit dem Ende der Bush-Administration.
Bierlings These zieht sich dabei wie ein roter Faden durch das gesamte Buch: Nicht das ideologische Streben der Neocons nach "Demokratieexport" oder etwa die amerikanische Öllobby haben die USA in den Krieg getrieben, sondern die "unter Schock stehende" und von "Allmachtsphantasien" selbstgetäuschte Regierung Bush habe einen Krieg begonnen, um der Welt zu zeigen, dass die USA sich nicht von Terroristen und Diktatoren einschüchtern lassen würde. Der Irak wurde das Angriffsziel, weil er ein einfacher Gegner war und noch dazu durch mehrere UNO-Resolutionen bereits von der internationalen Staatengemeinschaft heftig kritisiert wurde.
Im Folgenden zeichnet der Autor ein vernichtendes Bild der Bush-Administration. Das Buch handelt von einem inkompetenten und dogmatisch-neokonservativen Verteidigungsminister und einer beratungsresistenten Kamarilla, die einem naiven Präsidenten nur die Informationen zukommen ließ, die ihm gefielen. Das sind die Gründe, warum es keinen Plan für einen Nachkriegs-Irak gab, das Land Jahre lang in einem Bürgerkrieg versank, während die Bush-Regierung immer wieder versprach, dass die Besatzungszeit kurz sein würde.
Erst gegen Ende seiner Regierungsjahre riss Bush das Ruder um, entließ Rumsfeld, ernannte neue Verantwortliche für die Irakpolitik und setzte sich für mehr Truppen ein, um das Land zu befrieden. Die sogenannte Surge-Strategie vom neuen Oberbefehlshaber Patreaus, den der Präsident nun zum Oberbefehlshaber der Truppen im Irak machte, brachte die Wende. Und zu Bushs Ehrenrettung brachte sie sie noch, bevor seine Amtszeit endete.
Bierlings "Geschichte des Irakkrieges" leidet an zwei Schwächen. Für die erste kann der Autor nichts. Er schreibt wenig bis nichts, was einem politisch interessierten und aufmerksamen Zeitungsleser nicht bereits bekannt sein dürfte. Wie auch? Er hatte keinen Zugang zu nicht-öffentlichen Quellen. So blieb ihm nichts weiter als Zeitungsartikel, Memoiren oder Interviews auszuwerten. So liest sich das Buch wie eine Nacherzählung der Irakkriegsberichterstattung.
Dies ist vielleicht auch einer der Gründe für Bierlings Hauptthese, dass vor allem die Inkompetenz der Bush-Regierung Ursache für den Irakkrieg gewesen sei und auch für die katastrophale Entwicklung während der Besatzungszeit. Denn die Kalküle der Beteiligten, der Regierung, der Militärs und etwaiger Lobbyisten, die von außen Druck machten, kommen in den tagesaktuellen Medien und sicher auch in den Memoiren der meisten Beteiligten nicht vor. Niemand weiß, was in den Aktenbeständen der Ministerien oder des Weißen Hauses an Informationen, an strategischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Überlegungen noch festgehalten wurde. Erst wenn Historiker sich daran machen dürfen, diese Quellen auszuwerten, kann wirklich die Geschichte des Irakkriegs geschrieben werden.
Aber auch jetzt schon kann der Leser mit guten Gründen Bierlings monokausales Erklärungsmuster in Frage stellen. Sicherlich ist es kaum von der Hand zu weisen, dass die Bush-Regierung ein hohes Maß an ideologischer Geschlossenheit und Realitätsverweigerung an den Tag gelegt hat. Doch damit allein ist ein Krieg nicht erklärbar. Eine Analyse mächtiger Interessengruppen in den USA würde sicher auch heute schon Aufschluss darüber geben, wer für und wer gegen den Krieg war und warum. Wie haben Wirtschaft oder Think-Tanks versucht die öffentliche Meinung zu beeinflussen? Hätte Bierling nicht nur im Weißen Haus gesucht, sondern in der US-Gesellschaft, hätte er vielleicht auch andere Ursachen für den Krieg gefunden.
Trotz der wenig überzeugenden Analyse und der wenigen neuen Informationen ist das Buch aber dennoch lesenswert. Es ist eine sehr gut lesbare und faktenreiche Zusammenfassung der Ereignisgeschichte. Dank vieler Belege und einem Personenregister kann es auch gut als Nachschlagewerk benutzt werden. Daher ist es durchaus empfehlenswert für alle am Thema Interessierten.
Das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe können auf der Website des Verlags eingesehen werden.