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Das Recht ermöglicht Männern und Frauen, wie nie zuvor gleichberechtigte Beziehungen zu führen, insbesondere hinsichtlich der Betreuung des Nachwuchses in der Elternzeit. Doch nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der Männer nimmt entsprechende Angebote wahr. Es sind nach wie vor die Frauen, die ihre eigene Karriere zugunsten von Kind und Partner zurückstellen oder gleich ganz aufgeben, und die auch in kinderlosen Beziehungen den Löwenanteil der Hausarbeit erledigen.
Warum das so ist, diese Frage stellt Lisa Ortgies in ihrem Buch "Heimspiel" und beantwortet sie auch. So zeigt sich, dass die "neuen Väter", sofern sie wirklich zur Erfüllung dieser Rolle bereit sind, bestenfalls ein Randphänomen darstellen, überproportional beachtet, und dass ansonsten so ziemlich alles beim tradierten Alten geblieben ist: Frauen geben den Beruf auf oder arbeiten zumindest unter Qualifikation in Teilzeit, um Kind und Haushalt und vielleicht ein bisschen Beruf unter einen Hut zu bekommen. Arbeiten sie in Vollzeit, so müssen sie sich permanent mit einem schlechten Gewissen und dem ex- wie implizit vorgebrachten Vorwurf arrangieren, sie seien Rabenmütter.
Das neue Unterhaltsrecht schließlich bugsiert Mütter, die sich auf Kosten ihrer beruflichen Karriere auf Kind und Mann eingelassen haben und dann verlassen wurden, gefährlich in die Nähe von Hartz IV: neue Armut für Ex-Frauen verhinderter neuer Väter.
Geschichtliche Abrisse zu Themen rund um Familie und Rollenverteilung sowie Interviews mit Betroffenen und Experten ergänzen die sozialkritischen Ausführungen der Autorin.
Viel bleibt nach der Lektüre nicht übrig für jene, die an den Erfolg von Familienpolitik glauben, an Gleichberechtigung und daran, dass seit den letzten sechzig Jahren ungemein viel zur Förderung von Müttern und Familien getan wurde, sowohl im erwähnten Politikressort als auch in der unmittelbaren Wahrnehmung durch Gesellschaft und Politik.
Nun kann man Frau Ortgies durchaus auch eine gewisse Einseitigkeit vorwerfen: Wer sagt denn, dass eine in Teilzeit erwerbstätige oder gar in Vollzeit daheim aktive Frau per se unglücklich ist? Auch diese Lebensmodelle haben eine Existenzberechtigung, freilich, wie Ortgies sehr deutlich aufzeigt, zunehmend weniger im Gefolge der aktuellen Unterhaltsbestimmungen, die sie zu Verliererinnen machen, wenn ihr Mann sie, was nicht selten vorkommt, schließlich gegen eine Jüngere austauscht.
Selbstverständlich sind auch nicht alle der von Ortgies präsentierten Fakten und Statistiken neu, doch sie weiß diese zu interpretieren und mit den politischen Gegebenheiten in einen Zusammenhang zu setzen. Die Interviews und Fallbeispiele wirken lebendig, in keiner Weise "gestellt" oder durch Suggestivfragen beeinflusst, und geben recht klar wieder, woran es krankt in Deutschland, während einige Nachbarländer, vor allem die skandinavischen, kluge Lösungen gefunden haben, wie Kinder und Job, möglichst auch die ganze Familie unter einen Hut zu bekommen sind.
Was sich tun lässt, um die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, denen häufig der langzeitige Ausfall oder letztlich Wegfall von hoch qualifizierten Führungs- und Fachkräfte zu schaffen macht, die aber dennoch wenig zur Förderung ihrer Mitarbeiterinnen in Gang setzen, gibt die Autorin nicht an, wohl aber manches nachahmenswerte Beispiel.
Neue Väter braucht das Land, so das Fazit, und nicht etwa solche, die sich während der Elternzeit verzweifelt an den Rechner setzen, um triviale Abenteuer mit dem Baby zum Besten zu geben, sondern auch jene, die ihr Baby wickeln und füttern und auch mal hoch in die Luft werfen, damit es das Gefühl des Aufgefangenwerdens – und des Fliegens – kennenlernt.
Die Männer sind an allem schuld! Dieser Aussage schließt sich die Autorin keineswegs bedenkenlos an. Denn natürlich haben auch die Männer eine Prägung erfahren, und dass diese sich seit Jahrzehnten nicht wesentlich ändert, kann kaum nur an der sozialen Prägung liegen.
Standardlösungen für Beziehungs- und Arbeitsplatzprobleme bietet dieses Buch zwar nicht, wohl aber viele Impulse zum Nachdenken und Bessermachen.
Link zum Interview mit Lisa Ortgies