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Ein Mann befindet sich allein in einer fast leer geräumten Wohnung, von seiner Ehefrau verlassen. Wie es dazu kam, weiß nur er. Während er nachdenklich immer wieder durch die schon nicht mehr recht vertrauten Räume geht, ersinnt er Lebensläufe, Möglichkeiten, wie es auch gewesen sein hätte können, immer beginnend mit dem nachdenklichen Satz: "Mein Name sei
Gantenbein."
Dieser Gantenbein soll in der Vorstellung des Erzählers so tun, als ob er blind sei. Das mache, so Gantenbein, das Leben einfacher. Die Menschen präsentieren sich ihm so, wie sie "gesehen" werden möchten, und müssen sich ihm gegenüber andererseits nicht verstellen; insbesondere die Ehefrau hat das nicht nötig. Sie kann ihn ohne großen Aufwand betrügen und dabei Normalität vortäuschen. Zu seinem Erstaunen reagiert die betrügende Ehefrau, als wäre sie betrogen worden, wenn Gantenbein die schwarze Brille weglegt und ihr eröffnet, er sei gar nicht blind.
Eine Variation dieser Ehe nach der anderen ersinnt der Erzähler, nachdem sein Bewusstsein immer wieder in die kahle Wohnung zurückgekehrt ist. Lila soll die Ehefrau heißen und eine schillernde, begehrenswerte Frau sein; meistens ist sie Schauspielerin, manchmal auch die Frau eines Geschäftsfreundes, der bei einem geplanten Treffen verhindert ist und sie an seiner Statt schickt. Überwiegend sieht sich der Erzähler in Gantenbeins Rolle, denkt sich jedoch auch gelegentlich in den betrogenen Ehemann Svoboda oder andere Figuren ein und gestaltet mögliche Reaktionen derselben.
Welche Geschichte sich der Erzähler auch ausdenkt, ob er Gantenbein schließlich nach Amerika schickt, ob dieser mit einer begehrten Schauspielerin Lila gelebt hat oder in Svobodas Gattin Lila ein vermeintliches Glück gefunden hat, ob es ein Kind gibt oder nicht: letzten Endes befinden er und Gantenbein sich doch immer wieder gescheitert in der leeren, verlassenen Wohnung.
Identität und Eifersucht sind Themen, mit denen sich Max Frisch immer wieder auseinandergesetzt hat, und beide stehen auch in "Mein Name sei Gantenbein" im Vordergrund, einem Weltklasseroman, der vielleicht nicht Frischs bestes oder schönstes Werk darstellt, jedoch neue Gedanken einbringt und mit ungewöhnlichen Techniken arbeitet.
Die einzelnen Variationen der möglichen Beziehungsgeschichte werden nicht losgelöst voneinander erzählt, sondern gleiten immer wieder ineinander und übereinander. Dazwischen steht wie in Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" als "Promenade" des Erzählers Gang durch die verlassene Wohnung mit aufgerollten Teppichen, wenigen übrig gebliebenen Kleidungsstücken im Schrank und einem tropfenden Wasserhahn in der Küche.
Eine wirkliche Entwicklung zeichnet sich nicht ab bei diesen Versuchen, dem Scheitern einer Ehe eine Geschichte zu geben und es probeweise mit verschiedenen Rollen zu besetzen: Die Spurensuche des Erzählers bewegt sich im Kreis wie seine Schritte durch die Wohnung.
Die vorliegende Hörspielfassung wirkt beeindruckend. Ausgezeichnete Sprecher finden sich in die schwierigen Rollen ein und geben ihnen Leben; insbesondere die Hauptakteure, Robert Freitag und Dagmar Altrichter als Gantenbein beziehungsweise Erzähler und Lila verstehen es, die Hoffnungslosigkeit dieses Romans authentisch zu vermitteln.
In Maßen und sorgfältig ausgewählt werden Musik- und Geräuschuntermalung eingeflochten, wohldosierte Untermalung und Ergänzung des Gesprochenen, keine Effekthascherei. Auch gelegentliche Stille, geschickt eingesetzt, vertieft den Eindruck von Trostlosigkeit.
Das Hörbuch ist schlicht, aber robust aufgemacht: Die drei CDs befinden sich in zwei Plastikhüllen und werden im Kartonschuber angeboten.
Diese Hörspiel- beziehungsweise Hörbuchfassung von Max Frischs Roman "Mein Name sei Gantenbein" setzt die Vorlage professionell und sehr überzeugend um. Der Preis von knapp zwanzig Euro ist für ein so gut gelungenes Werk angemessen.