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Lange wurde er erwartet, dieser Abschlussband des MIDGARD-Regelwerkes. Nicht nur, aber vor allem von den MIDGARD-Spielerinnen und Spielern, die sich für die Regeln für Beschwörer interessieren. Aber auch wer mehr über den Aufbau von Sphären und Welten wissen will oder gar über die Reisen zu fremden solchen, kommt an diesem Band nicht vorbei. Dazu gibt es Hintergründe über den Aufbau von Midgard und der Magie auf dieser Welt. Zusätzlich gibt es noch diverse (Erz-)Dämonen, Geisterwesen, Elementare, Naturgeister und vieles mehr.
Der Band ist ein stabiles Hardcover mit zwei Lesebändchen, das Layout ist eher zweckmäßig als schön. Das Cover ist prinzipiell gelungen, wirft aber die Frage auf, warum Frauen auf Fantasy-Produkten allzu oft oben herum so auffällig gut gebaut sind. Hier ist MIDGARD insgesamt gesehen leider noch arg den Anfängen des Rollenspiels verhaftet. Die Illustrationen sind zwar akzeptabel, aber es könnten erstens mehr davon vorhanden sein und zweitens sind sie schon noch verbesserungsfähig.
Das Buch ist in vier Kapitel aufgeteilt:
Meister der Sphären,
Inkantatium,
Sphärenbestiarium und
Anhang, letzteres ist eine Kurzbeschreibung der Schwesterwelt Myrkgard. Allgemein ist der Band so aufgebaut, dass es im vorderen Teil die Beschreibungen gibt und im hinteren die dazugehörigen Regeln.
Meister der Sphären ist wiederum in vier Teile unterteilt:
Über den Aufbau des Multiversums,
Über das Leben in den Sphären,
Über die Grundlagen der Zauberei und
Über das Reisen zu fernen Welten. Dieses Kapitel ist derart gestaltet, als stamme es aus der Feder des Gelehrten Kerimon Casonubal. Es stellt die Sichtweise der valianischen Gelehrten dar, also nicht zwangsläufig die Wahrheit. Über die Sichtweisen der Gelehrten anderer Länder erfährt der Leser leider etwas wenig. Die Wahrheit, also die nackten regeltechnischen Fakten, wie das Beschriebene wirklich funktioniert, ist in schwarz umrandeten Kästen vermerkt. Aufgelockert wird der Text durch teilweise kritische und humorvolle Kommentare anderer Gelehrter. Leider reichen diese kleinen Auflockerungen nicht aus, diesen Teil leicht verständlich oder gar unterhaltsam zu machen. Hier wurden diverse irdische Philosophien allzu trocken verarbeitet und auch die Magie- und Weltentheorie ist ziemlich anspruchsvoll zu lesen. Man könnte es so sagen: So wie der Magielehrling oder Gelehrte auf der Welt Midgard ernsthaft und mit ganzem Verstand seiner Gelehrsamkeit nachgehen muss, muss dies teilweise auch der Leser dieses Kapitels machen. Inhaltlich sehr gelungen, aber zu trocken aufbereitet.
Wer sich durch das erste Unterkapitel gemüht hat, wird dann doch recht schnell mit interessanteren Dingen konfrontiert. Zum Beispiel im zweiten Unterkapitel mit den Spirituellen Gefilden, Anders- und Geisterwelten und den Gestaden der Träume, alle diese Themen sind sehr gut gelungen. Die Unterkapitel drei und vier sind dann wieder eher schwer zu lesen, aber gerade "Über die Grundlagen der Zauberei" bindet die Magie gelungen noch mehr in den Regel- und Welthintergrund ein. Aber eher ein Kapitel für Spielleiter als für Spieler.
Das
Inkantatium beherbergt dann, teilweise etwas dröge aufgemacht, die Regeln für Beschwörungen, Sphärenreisen und Reisen in die Spirituellen Gefilde. Dann werden die Arten der Beschwörer vorgestellt, das sind Elementarbeschwörer, Dämonenbeschwörer und Totenbeschwörer. Letztere sind allerdings wie Priester von Chaosgöttern nur sehr eingeschränkt als Spielerfiguren geeignet. Dann wird erklärt, welche Wesen wie beschworen, dominiert oder geknechtet werden können. Gerade das Knechten ist der Spielbarkeit von Beschwörern sehr zukömmlich, denn damit können Beschwörer Wesen schon vorher beschwören und dann quasi auf Abruf auf Reisen mitnehmen. Nicht gerade Unterhaltungslektüre, aber mit vielen interessanten Dingen gefüllt. Hier sind auch die Lerntabellen für die Beschwörer zu finden. Etwas schade ist, dass es wenig Tipps für das Spielen von Beschwörern gibt. Auch hier hat man leider etwas das Gefühl, dass das Inkantatium sich eher an Spielleiter richtet. Denn gerade als Widersacher beziehungsweise Nicht-Spieler-Charaktere (NSC) bieten sich Beschwörer an. Sie brauchen ja in der Regel länger für eine Beschwörung als ein Magier für seine Zauber. Aber wie schon gesagt, Beschwörer sind insgesamt spielbar(er) geworden.
Leider kaum illustriert und etwas trocken aufbereitet, aber dank des Inhalts insgesamt gesehen ein gutes Kapitel. Wen der ganze theoretische Hintergrund des ersten Kapitels nicht interessiert, kann hier immer noch gut einsteigen und weiß für das eigentliche Spiel alles Notwendige. Sehr praktisch ist die Patzer-Tabelle für Beschwörungen, die Auswirkungen können fast ein eigenes Abenteuer darstellen
Lauter interessante Wesen enthält das
Sphärenbestiarium, geht es hier doch um Dämonen, Elementarwesen, Spirituelle Geschöpfe und Kreaturen des Empyreums. Es handelt sich zwar oft um eine Ansammlung von Werten und Fakten und weniger um eine Beschreibung der typischen Handlungsweisen, aber viele der Geschöpfe sind für Beschwörer weniger Individuum als ein Exemplar ihrer Gattung. Ein gelungenes und inspirierendes Kapitel, vor allem die höheren Dämonen sind ideal für den "Großen Widersacher".
Der Anhang besteht nicht aus den sonst üblichen Tabellen, sondern aus einer Kurzbeschreibung von Myrkgard. Dieses ist eine Parallelwelt von Midgard, die gegen Ende des Kriegs der Magier zur Vermeidung eines Zeitparadoxons entstanden ist und im mittlerweile vergriffenen
Zyklus der Zwei Welten eine wichtige Rolle spielt. Im dazugehörigen Abenteuer
Die Schwarze Sphäre war diese Kurzbeschreibung schon einmal abgedruckt. Wer das Abenteuer nicht sein Eigen nennt und den ausführlichen Quellenband zur Welt Myrkgard, der als Fanprodukt erschienen ist, nicht kaufen möchte, bekommt hier einen guten Überblick. Myrkgard dürfte die erste Wahl für eine Sphärenreise sein. Wer die Kurzbeschreibung oder den Quellenband nicht hat, wird sich freuen; wer ihn schon hat, bekommt die Informationen doppelt und hätte sicherlich lieber andere Sphären genauer beschrieben bekommen. Als kurze Übersicht von Myrkgard aber wirklich klasse.
Den Abschluss des Bandes machen eine Übersicht über die Abkürzungen, ein gutes Glossar und ein ausführlicher Index.
Gestaltungstechnisch ließe sich sicherlich einiges verbessern: mehr und bessere Illustrationen, die an passenderen Stellen abgedruckt sind, sowie ein aufgelockertes Layout und lesbarere Texte. Inhaltlich gibt es aber wenig zu bemängeln. Betrachtet man die Fakten, ist die Sphären- und Weltbeschreibung sehr gelungen und einfallsreich. Die Kosmologie geht tiefer als bei vielen anderen Systemen, was auch zur Trockenheit und Schwierigkeit beigetragen haben dürfte.
Endlich gibt es die Regeln für Beschwörer, und wenn auch etwas die Spieltipps für sie fehlen, sind sie regeltechnisch gesehen gut spielbar, gerade auch durch die Knechtschaftsringe.
Das
Sphärenbestiarium bietet dann dem Spielleiter so manche "Nettigkeit", mit der er seine Gruppe überraschen kann
Die Kurzfassung der Spielwelt Myrkgard ist sehr praktisch und gelungen, sofern man das Quellenbuch nicht besitzt.
Fazit:
Alles in Allem ein inhaltlich sehr gelungener Band, selten sind Welt und Magie so gut und detailliert verbandelt worden wie bei MIDGARD. Gerade für Spielleiter ist dieser Band ein Pflichtkauf, wenn er Sphärenreisen vorhat oder Beschwörer als NSCs oder Spielercharaktere zulassen möchte. Ganz abgesehen von dem Sphärenbestiarium
Was es leider nicht in den Band geschafft hat, sind die Vorschläge über die Veränderbarkeit von Zaubersprüchen.
Wer nur Spieler ist, wird mit seinem Spielleiter abklären müssen, was er lesen darf. Aber viele Hintergründe geben ja nur das Setting eines möglichen Abenteuers vor und verraten nichts über die Handlung, sodass ein Spieler schon recht viel lesen dürfen kann. Auch das Wissen über die wahre Beschaffenheit der Sphären spoilert kein Abenteuer. Wer Beschwörer spielen will, kommt an "Meister der Sphären" natürlich eh nicht vorbei.
Letztlich muss jeder selbst entscheiden, wie viel er über Midgard wissen will. Man kann auch ohne diesen Band spielen und leiten, was man dabei verpasst, wurde ja schon erwähnt. Viele Dinge waren auch schon in anderen oder älteren Werken zu lesen, doch die Vollständigkeit des Regelwerkes mag auch für so manchen Fan ein Argument sein.