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 Nathalie küsst

Autoren: David Foenkinos
Übersetzer: Christian Kolb
Verlag: C. H. Beck

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Nathalies und François' Liebe ist wie aus einem kitschigen Liebesfilm. Auf den ersten Blick verlieben sich der eigentlich schüchterne François und die wunderschöne Nathalie bei ihrer zufälligen Begegnung auf der Straße. Von dem Moment an ist ihre Beziehung so perfekt, dass sie ihrem Freundes- und Bekanntenkreis fast schon Angst macht. Sie harmonieren aufs Beste miteinander, ihre Liebe füreinander lässt nicht nach und alles erscheint wunderbar leicht. Bis zu dem Tag, an dem Francois wie immer joggen geht und von einer Blumenhändlerin überfahren wird. Ab da verändert sich alles für Nathalie, die junge Witwe will zunächst nicht weiterleben und weiß nicht, wie sie ihren Alltag ohne ihren Mann überstehen soll. Zur Ablenkung stürzt sie sich in ihre Arbeit.
Die Kollegen wissen nicht, wie sie sich ihr gegenüber verhalten sollen, ihr Vorgesetzter kennt jetzt, wo sie verwitwet ist, keine Zurückhaltung mehr und macht ihr immer eindeutigere und stärkere Avancen. Nach Jahren des Alleinseins hat sie es satt und küsst im Affekt ihren Kollegen Markus.

"Nathalie küsst" erzählt die wunderbare Geschichte einer Liebe, die so harmonisch ist, dass sie nicht von dieser Welt erscheint. So viel Glück kann es doch für zwei Menschen gar nicht geben, denkt man bei der Beschreibung ihres Kennenlernens, ihrer Beziehung, der Hochzeit und den ersten Ehejahren. Und tatsächlich, es scheint, als wäre der Glücksvorrat aufgebraucht, als François überfahren wird. Doch auch wenn es so scheint, als wäre Nathalies Geschichte mit seinem Tod vorbei, geht sie in Wirklichkeit erst los.

David Foenkinos beschreibt erst die perfekte, ungetrübte Liebe, bevor er dieses Paar auf grausame Art auseinander reißt. Seine Protagonistin weiß nicht mehr, wie sie weiterleben soll, stürzt sich in Arbeit und überlebt irgendwie. Aber ein wirkliches Leben mit allen Sinnen ist das nicht mehr, das drückt sich auch in allen Worten des Autors aus. Nathalie existiert nur noch, sie fühlt nicht mehr, sondern atmet und handelt so, wie es von ihr erwartet wird. Erst die Begegnung mit Markus rüttelt sie auf, auch wenn das nicht im Geringsten am schwedischen Kollegen liegt, sondern einfach daran, dass sie den Verzicht auf alles Sinnliche in ihrem Leben leid ist. Markus wiederum ist komplett überrumpelt von seiner schönen Vorgesetzten und setzt ab dem Moment alles auf eine Karte, um sie doch für sich zu gewinnen.

"Nathalie küsst" erzählt zwei Liebesgeschichten: die einfache, natürliche, die einfach so passiert zwischen François und Nathalie, an der keiner von beiden arbeiten muss. Diese Liebe entsteht natürlich und endet grausam. Die andere Liebe wiederum ist die zwischen Nathalie und Markus, an die sie zunächst überhaupt nicht glaubt, die dann aber durch äußere Einflüsse immer mehr verstärkt wird. Diese beiden Lieben sind so unterschiedlich, wie sie nur sein können und daher auf ihre Art beide einzigartig. Der Schreibstil des Autors hebt diese wunderschönen Geschichten hervor, wird dabei aber niemals zu gefühlvoll oder gar kitschig. Fast schon bissig werden die Gedankengänge der Beteiligten nachgezeichnet, so manche absurde Situation führt zu Irritationen beim Leser, passt dann aber wieder so großartig ins Gesamtgefüge dieses Romans.
Viele Fußnoten und kurze Zwischenkapitel ergänzen alles mögliche, was lose zu den Hauptkapiteln der Geschichte passt. Sei es die Liste der Puzzleweltmeister, kurze Dialoge aus Filmen und Theaterstücken, Liedzeilen, unnütze Fakten ... All dies unterstützt das Gefüge des Romans und liefert Hintergrundinformationen zu vielen der Anspielungen, die Foenkinos in seinem Roman versteckt hat, wenn auch bei weitem nicht zu allen.

Überragend auch, wie sich die vielen Metaphern und Vergleiche, die in den kurzen, prägnanten Sätzen viel besser wirken als in übertrieben blumiger Ausdrucksweise, von Christian Kolb ins Deutsche übertragen wurden. Französisch ist eine malerische Sprache; dies so gut ins Deutsche zu übertragen ist eine Kunst für sich, die nichts an den schönen Ausdrücken und raffinierten Sätzen schmälert.

"Nathalie küsst" erzählt zwei verschiedene, aber auf ihre Art grundehrliche und unverwechselbare Liebesgeschichten. Zusammen mit der grausamen Liebe des Vorgesetzten zu Nathalie sogar noch eine dritte, ebenso einmalige. Ein wunderschönes Buch, das mit seiner zeitweise ruppigen Sprache dafür sorgt, dass der Roman immer lesenswert bleibt und nie ins rosarot-zuckersüße abgleitet. Kein Wunder, dass die Verfilmung schon mit Audrey Tatou in Planung ist - bleibt zu hoffen, dass der Film nicht zum typischen Hollywood-Kitsch verkommt.

Zusätzlich zu einer Leseprobe als PDF findet sich auf der Verlagsseite zum Buch noch ein Trailer der französischen Verfilmung.

Anja Thiemé



Taschenbuch | Erschienen: 24. Oktober 2011 | ISBN: 978-3406621628 | Originaltitel: La Délicatesse | Preis: 16,95 Euro | 238 Seiten | Sprache: Deutsch

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