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Heinzelmännchen gibt es noch, klar, sie haben sogar die Kölner Universität infiltriert. Und auf einem Friedhof in der Nähe der Universität gibt es sogar eine Dryade, die dort in ihrem Baum lebt. Das klingt verrückt? Bernhard Hennens "Nebenan" ist ein Fantasyroman der ganz besonderen Art - und einer der verrücktesten auf dem Markt.
Till studiert Germanistik und ist momentan tief betrübt, denn er hat etwas Probleme mit seinem Professor, der ganz andere Ansichten über den Mittelalterdichter Oswald von Wolkenstein hat. In einer Märchenvorlesung taucht an diesem Tag ein kleines Männchen auf und hält einer Unsichtbaren einen Liebesvortrag. Das ist Wallerich, der die Dryade Neriella sehr verehrt, die sich aber ausgerechnet in Till verliebt hat. Mit dieser Aktion - er hat sich einen wertvollen Ring "ausgeliehen", der ihn für normale Menschen sichtbar macht - bringt Wallerich auch seinen Vorgesetzten, den Ältesten der Kölner Heinzelmänner namens Nöhrgel, in große Probleme.
Und das alles passiert auch noch ausgerechnet an Samhain, neudeutsch Halloween genannt, in der Nacht, in der die Dunklen, also die unangenehmeren Zeitgenossen unter den Fabelwesen versuchen, in die reale Welt zurückzukehren - eigentlich sind nämlich nur die Zwergenvölker bei uns erlaubt. Die überwachen, mit ihrer Neigung zur Technik gut ausgestattet, die Tore nach Nebenan, auf dass nur die Fabelwesen herüberkommen können, die einen guten Leumund haben. Till feiert in dieser Samhainnacht mit seiner Showkampftruppe an einem Lagerfeuer in der Eifel. Die Druidin der Gruppe führt ein Ritual durch, und zufällig funktioniert die Magie wirklich und gleich drei Dunkle kommen aus dem Nebenan herüber und machen sich mit Mariana, der Druidin, davon. Graf Cagliostro, sein Begleiter, der Werwolf Baldur, und der legendäre Erlkönig, ein Albenfürst und Held des gleichnamigen Goethe-Gedichtes, machen sich nun auf, das Köln von heute ein bisschen anders zu gestalten.
Da die Ui Talchiu - so heißt die Truppe um Till - ja irgendwie für die Probleme mit den mächtigen Dunklen verantwortlich sind, schicken die Heinzelmänner sie nach Nebenan, um zu kundschaften, und da sie dabei leichten Zwang ausüben, gehen die erfahrenen Rollenspieler und Schaukämpfer auf eine Reise, von der sie eigentlich schon immer geträumt haben.
Wie kann man dieses Buch beschreiben? Eine bunte Mischung aus Regionalroman - denn das heilige Köln und seine Umgegend bekommen ein kleines Fantasydenkmal -, Märchenstunde - ist das herrlich, wenn die Helden bei Knuper vorbeikommen, der Hexe aus Hänsel und Gretel - und natürlich auch Parodie. Die detailreichen Szenen um die schrägsten Charaktere, wie Trollschläger Rölps, Möwendame Schnapper oder der zum Werwolf mutierende Zahnarzt Dr. Salvatorius, sind so liebevoll beschrieben, das Lokalkolorit inklusive kölschem Klüngel zwischen Kirche und Unterwelt so freundlich karikiert, ein wirklich einzigartiges Buch - übrigens trifft man Wallerich und Schnapper in dem sehr guten Jugendbuch "Alica und die Dunkle Königin" wieder.
Allerdings muss auch erwähnt werden, dass Bernhard Hennen hier so manches Mal ein klein wenig die Handlung vergisst, aufgrund der vielen Gags und Details, auf die er nicht verzichten kann. Atemlose Spannung erzeugt das Buch nicht, dafür aber Lachmuskelkater. Kein Buch für jeden, aber dringend ein Buch für Menschen aus der Kölner Region, für Freunde humorvoller Fantasy und nicht zuletzt für alle, die sich ein wenig mit mittelalterlichen Märkten, Showkampf, Rollenspiel oder Liverollenspiel auskennen.