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Ein kleines Mädchen sieht sich kontinuierlich mit dem Tod konfrontiert. Sein überfahrener Hund, eine erschlagene Fliege, schließlich auch sein Papa gehören zu den toten Dingen, über die es akribisch Buch führt. Dann geschieht das Unfassliche. Die Mutter nimmt Millie mit in ein Kaufhaus, trägt ihr auf, zu warten, und ... ist weg. Bleibt weg.
Karl der Tasttipper - so nennt der dem Tippen auf Tastaturen Verfallene sich selbst -, ein Mann hoch in den Achtzigern, verwitwet und völlig verloren, begegnet Millie im Kaufhaus. Und dann ist da noch Agatha Pantha, Millies Nachbarin. Auch Witwe und scheinbar verwahrlost. Bis Millie einsam und desorientiert bei ihr aufkreuzt. Der Zufall oder ein verrücktes Schicksal führt diese drei Charaktere zusammen, und sie werden viel erleben auf der Suche nach Millies Mutter.
Und dann darf Manny nicht vergessen werden, eine männliche Schaufensterpuppe im erwähnten Kaufhaus. Auch er spielt im Roman eine nicht unbedeutende Rolle. Denn die toten Dinge sind, wie Millie weiß, von nicht unwesentlicher Bedeutung für die Lebenden.
Ein paar Jährchen oder Jahrzehntchen, wie man es nehmen möchte, trennen Millie, sieben, von Karl, siebenundachtzig, und Agatha, zweiundachtzig. Aber sonst ist es gar nicht so viel, das zwischen ihnen stehen könnte. Denn vor allem haben sie Verluste erlebt, den Verlust geliebter Menschen. Millie kennt das nicht weniger als die beiden Alten, schließlich musste sie ihren wunderbaren Vater ihrer Sammlung toter Dinge zufügen, und dann kam es zum Verlust ihrer Mutter, den sie erst gegen Ende des Romans zu akzeptieren lernt, weil sie nur den Tod als Grenze zwischen den Menschen kennt. Ihre beiden Freunde, die sie ohne Wenn und Aber und daher auch durchaus über die Grenzen der Legalität hinaus unterstützen, haben selbst noch Ideale und begreifen daher ebenso spät, wo sie besser resignieren sollten, wenn der Kampf sich als aussichtslos erweist. Sie begreifen es in dem Moment, in dem sie erkennen, dass sie mit all ihren altersbedingten Makeln liebens- und auch begehrenswert sind.
Genau das verblüfft angesichts einer so jungen Autorin. Millie, das zwar altkluge, dennoch kleine Mädchen, ist ein Aspekt des Romans. Die sich anbahnende Romanze zwischen dem vereinsamten, romantischen und dabei sehr eigenwilligen Karl und der extrem spröden Agatha stellt einen weiteren dar. Beide haben so viel erlebt, beide haben dennoch Sehnsüchte, Ängste, Fragen wie ganz junge Menschen. Brooke Davis nähert sich diesem Thema mit einer erstaunlichen Sensibilität an, die Respekt abfordert, wird doch auch heute die Liebe im Alter zu gern ins Lächerliche gezogen. Nicht von Brooke Davis, die ihre Romanze mit unvergleichlicher Schönheit und Poesie aufbaut.
Davis' Figuren treten immer wieder nacheinander als Protagonisten auf und werden dem Leser rasch vertraut. Sie haben bezaubernde Ecken und Kanten, sie haben Ideale, und genau das macht sie zu Persönlichkeiten, mit denen sich der Leser gern identifizieren mag. So riskieren sie, einmal überzeugt, schier Leib und Leben, zumindest aber ihre Freiheit, um ihre Freunde zu retten. Um mehr geht es bei diesem Roman eigentlich gar nicht, stellt der Leser wohl am Ende verblüfft fest. Liebe, Freundschaft über Altersgrenzen und andere Tabus hinaus, die ständige Präsenz des Todes und anderer Formen des Verlustes, Ideale und Träume und letztlich das Ankommen in einer wenig erfreulichen Wirklichkeit: all dies gehört zum Leben, und die drei Protagonisten, oder vier, wenn Manny mitgezählt wird, machen das Beste daraus. Nicht ohne einander zu verletzen, dafür sind sie zu eigen, doch sie verstehen es, um Verzeihung zu bitten, implizit.
Kurz: "Noch so eine Tatsache über die Welt" ist schräg, liebenswert und in einem Stil verfasst, der es schwer macht, das Buch vor dem Ende aus der Hand zu legen. Es wirkt über den Schluss hinaus nach. Eine Entdeckung, ein Roman zum Liebhaben und Beherzigen.
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