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 Schuldspruch

Autoren: Helen Black
Übersetzer: Christine Strüh
Verlag: Fischer

Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Die Anwältin mit dem schönen Namen Lilly Valentine ermittelt wieder in Sutton, einem der Brennpunkte Londons. Viele Kulturen leben hier nebeneinander, das geht nicht immer reibungsfrei, wie auch Lilly selbst feststellen muss.
Als ein junger Pakistaner sie um Hilfe bittet, ist sie schnell bereit, ihn und seine Familie zu unterstützen. Eine seiner Schwestern hat sich mit einer Überdosis Medikamente umgebracht, die Polizei will die Leiche des Mädchens nicht freigeben. Doch gerade im muslimischen Glauben ist es wichtig, dass ein Verstorbener schnell beerdigt wird.
Raffi, einer der Söhne der Familie, vermutet einen rassistischen Hintergrund. Doch die Polizei vermutet einen Ehrenmord an dem Mädchen und glaubt nicht an einen Selbstmord. Als sich herausstellt, dass Yasmeen schwanger war, wird Raffi als Tatverdächtiger verhaftet. Lilly will ihn vertreten, läuft aber bei dem bockigen 15-Jährigen gegen Mauern. Er will sich nicht von einer Frau verteidigen lassen, von einer Nicht-Muslimin schon gar nicht. So muss Lilly sich neben der Gründung ihrer eigenen Kanzlei, ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft, ihrer gar nicht mehr harmonischen Beziehung, ihrem Sohn Sam und den Ermittlungen in einem potenziellen Mordfall auch noch mit einem widerborstigen Klienten herumschlagen. Doch dass das noch lange nicht das Schlimmste ist, findet sie heraus, als sie auf eigene Faust in eine andere Richtung zu ermitteln beginnt, um Raffi zu entlasten.

"Schuldspruch" ist der dritte Band der Serie um die Anwältin Lilly Valentine. Schon in den beiden ersten Bänden waren ihre Klienten minderjährig und noch mehr als Erwachsene darauf angewiesen, einen starken Fürsprecher zu haben, der an ihre Unschuld glaubt. So auch Raffi. Ob seine Schwester Yasmeen tatsächlich getötet wurde, ob Raffi der Täter war oder doch jemand anderes, das ist lange unklar. Die Polizei hat sich schon sehr früh auf ihn als Hauptverdächtigen versteift, andere Wege werden gar nicht mehr untersucht. Und so ist Lilly alleine mit ihrer Assistentin Taslima unterwegs, um Raffi aus dem Gefängnis zu bekommen. Die eingeschworene pakistanische Gemeinschaft, auf die sie treffen, hilft ihnen dabei nur wenig, und das auch nur widerwillig. Als ein zweites Mädchen verschwindet, wird endlich auch die Polizei aktiv, doch vielleicht zu spät.

Grundsätzlich ist die Handlung spannend, der Leser darf miträtseln und sich fragen, ob Raffi der Täter war oder doch jemand anderes dahinter steckt. Leider wird die Spannung immer wieder verschenkt. Kaum konnte die Autorin so etwas wie Atemlosigkeit beim Leser aufbauen, lässt sie sie wieder im Nichts verpuffen. Kurze Ausflüge in die Gedankenwelt von Lillys Freund und eine beginnende Fast-Affäre sorgen zwar dafür, dass etwas mehr aus dem Privatleben der Protagonistin bekannt wird, verhindert aber einen wirklich guten Spannungsbogen. Dazu werden auch noch kurz Handlungen begonnen, die ins Nichts führen. Weder werden die Situationen aufgelöst, noch gibt es eine Vertröstung auf den nächsten Band, sondern die Probleme verschwinden einfach, wenn sie nicht mehr in die Erzählstruktur der Autorin passen. Vor allem die Rückblenden, die immer wieder eingesetzt werden und aus der Sicht einer lange unbekannt bleibenden Person geschildert werden, stören auf Dauer. Diese Kapitel beginnen zwar mit einem Datum, allerdings springt die Handlung mitten im Text, teilweise sogar ohne erkennbaren Absatz. Dadurch wechselt mitten in einem Absatz nicht nur die Zeit, sondern auch noch der erzählende Charakter. Auch wenn man spätestens beim Gejammer über Schwangerschaft und verständnislose Partner merkt, dass hier Lilly erzählt, nicht mehr der Unbekannte, so ist es doch extrem störend. Kleine, aber irritierende Verwechslungen von Namen gibt es auch noch ...

Das alles wäre eher verzeihbar, wenn der Leser hier einen sympathischen Charakter begleiten dürfte. Aber eine Hochschwangere, die keine Rücksicht auf ihr Baby nimmt, ihren älteren Sohn vernachlässigt und auch mal in der Schwangerschaft zur Weinflasche greift, macht sich allein dadurch schon unbeliebt. Wenn dann auch rechthaberisches Verhalten, unmögliches Benehmen und ein irrationaler Stolz auf patziges und pubertäres Verhalten dazu kommen, dann reicht es und man würde das Buch am liebsten entnervt zuklappen. Lilly Valentine mag eine etwas andere Anwältin sein, aber anders bedeutet nicht immer zwangsweise auch besser.

"Schuldspruch" darf man ohne schlechtes Gewissen im Regal stehen lassen. Eine unsympathische Protagonistin, eine Autorin, die Entwicklungen immer dann als Deus ex machina aus dem Hut zaubert, wenn sie ihr passen, unlogische Erzählstränge (unter anderem ein Privatdetektiv, der ständig Lilly Valentine folgt und es dann doch auf jemand ganz anderen abgesehen hat), sowie ein schlechter Erzählstil machen diesen Krimi eher zu einem Krampf als zu einem Vergnügen. Da kann auch die Story, die mit besserer Umsetzung und fundierterem Hintergrundwissen interessant hätte sein können, nichts mehr wett.

Anja Thiemé



Taschenbuch | Erschienen: 5. Dezember 2011 | ISBN: 978-3596191369 | Originaltitel: Dishonour | Preis: 8,99 Euro | 378 Seiten | Sprache: Deutsch

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