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Neben dem Entwickeln einer Zivilisation scheint kein Thema für Brettspieler so beliebt zu sein wie die Eisenbahn. Vielleicht ist es der historische Hintergrund der Durchsetzung einer bedeutenden Technologie und des knallharten wirtschaftlichen Konkurrenzkampfs, den diese hervorbrachte? Oder vielleicht haben die meisten Spieler ohnehin schon immer gerne mit Modelleisenbahnen gespielt? „Steel Driver“ ist jedenfalls das gefühlt hundertste Zugspiel der zahlreichen Titel des Vollzeit-Autors Martin Wallace. Anders als sonst setzt der für seine hochkomplexen Spiele bekannte Mann aber diesmal auf Zugänglichkeit und eine relativ kurze Spieldauer. Dabei macht er gleichzeitig alles richtig und alles falsch.
In „Steel Driver“ übernimmt jeder Spieler die Rolle eines Investors, der in die sechs verschiedenfarbigen Bahnunternehmen des Spiels Fördermittel reinpumpen kann, um diese zu übernehmen – ganz ähnlich wie in „Imperial“ oder dem Hardcore-Zugspiel „1830“. Diese Fördermittel werden durch kleine Holzwürfel repräsentiert, von denen jeder Spieler in den fünf Runden einige zugeteilt bekommt. Daraufhin schließt sich eine Bietrunde an, in der die Spieler das Recht der Kontrolle über die sechs verschiedenen Eisenbahnunternehmen versteigern. Dabei bieten sie jedoch nicht mit Geld, sondern mit ihren Investitionswürfeln, und der Gewinner zahlt sein Gebot nicht an die Bank, sondern an das Unternehmen.
Sobald das Bieten nämlich vorbei ist, agieren diese Unternehmen in Reihenfolge. Der Spieler, der gerade die Kontrolle besitzt, muss die Investitionswürfel der Gesellschaft ausgeben, um mit ihnen Schienenteile auf der Karte der Vereinigten Staaten von Amerika zu bauen. Immer, wenn dadurch eine neue Stadt angeschlossen wird, erhöht sich das Einkommen des Unternehmens für diese Runde, welches an den kontrollierenden Spieler in Geldscheinen ausgezahlt wird – denn wer das meiste Geld sammelt, gewinnt.
Viel mehr passiert in einer Runde tatsächlich nicht, im Grunde werden nur die Gesellschaften versteigert, dann die Schienen gebaut und schließlich das Geld für diese Runde ausgezahlt. Allerdings bekommt jeder Spieler, sobald er die Kontrolle über ein Unternehmen übernimmt, einen Anteilsmarker der Gesellschaft. Nach fünf Runden gibt es dann eine spezielle Wertungsrunde, in der die Unternehmen nach und nach Warenwürfel von Städten wegnehmen, die sie an ihr jeweiliges Schienennetz angeschlossen haben. Je mehr verschiedenfarbige Würfel sie besitzen, desto größer ist die Auszahlung, die man zum Schluss für jeden Anteilsmarker der entsprechenden Gesellschaft bekommt, den man besitzt.
Das spielt sich für einen Wallace-Titel tatsächlich sehr einfach und recht flott, kann aber dennoch ganz schön zum Grübeln anregen. Auf welche Gesellschaft bietet man jetzt am besten? Welche Anteilsmarker werden zum Schluss am meisten wert sein? Biete ich lieber alle meine Investitionswürfel für eine einzige Gesellschaft, teile ich sie mir auf mehrere Unternehmen auf oder hebe ich mir sogar einige bis zur nächsten Runde auf?
Das alles klingt zunächst nach einem Paradies für Hardcore-Zocker wie Gelegenheitsspieler, sind doch die Regeln nicht viel komplizierter als etwa die von „Zug um Zug“, bieten aber viel mehr Tiefe. Doch ist man hier einem Trugschluss unterlegen, denn die wichtigste Zutat für ein tolles Spielerlebnis fehlt in „Steel Driver“: der Spaß. Die Präsentation ist furchtbar öde, der Spielverlauf repetitiv und man hat das Gefühl, nach einer einzigen Partie bereits alles gesehen zu haben. Nahezu kein Spieler hatte nach einer Testrunde Lust, das Spiel irgendwann noch ein weiteres Mal auf den Tisch zu bringen – und das, obwohl von den Mechanismen her alles einwandfrei funktioniert. „Zug um Zug“-Fans ist „Steel Driver“ halt einfach zu trocken, und Vielspieler haben nicht das Gefühl, dass sie in diesem Spiel wirklich nennenswerte Entscheidungen treffen oder Strategien verfolgen können. Vor allem mit der vollen Zahl von sechs Spielern sinkt die Kontrolle, die man auf das Spielgeschehen ausüben kann, merklich. Mit drei oder vier Spielern lässt es sich besser taktieren, viel gewinnt „Steel Driver“ dadurch jedoch auch nicht.
Vielleicht sollte Martin Wallace also doch lieber weiterhin bei den komplexen Spielen bleiben. Sein „Automobile“ beispielsweise, das im Februar veröffentlicht wird, ist fast schon ein Geniestreich. Wenn es doch lieber ein einfaches, aber halbwegs anspruchsvolles Zugspiel sein soll, ist man mit dem sehr ähnlichen, aber hübscheren und kürzeren „Chicago Express“ wahrscheinlich besser bedient.