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Was wäre wenn? Mit dieser Frage scheint Stephen King viele seiner Bücher anzufangen, um dann seine schrecklichen und schönen Märchen zu erzählen. Was wäre, wenn es einen Grippevirus gäbe, der ähnlich wie der HIV seine Gestalt wandeln kann? Unglaublich schnell übertragbar, und in 99 Prozent der Fälle tödlich? Genau dieser Virus entkommt durch eine Verkettung von Sicherheitslücken in Form eines Wachmannes aus einem streng geheimen Forschungslabor der amerikanischen Streitkräfte im Jahre 1990.
Charles D. Campion packt Frau und Kinder und entkommt, und er verurteilt 99 Prozent der Weltbevölkerung zu einem relativ qualvollen Tod. Stu Redman ist dabei, als Campion in Arnette, Texas eine Tankstelle demoliert und sterbend aus dem Auto fällt, seine Frau und seine Tochter sind schon tot, und er lebt auch nicht mehr lange. Und von jedem Punkt, den Campion bei seiner Flucht besuchte, überall, wo er etwas einkaufte oder sein Töchterchen LaVon mal Pipi musste, haben sie Captain Trips gelassen, und diese Supergrippe breitet sich unglaublich schnell aus.
Stu wird von Soldaten nach Vermont gebracht, in ein Seuchenzentrum, und mit ihm die Bevölkerung ganz Arnettes. Und während des Fluges fängt das Wachpersonal an zu schnaufen und zu husten. Bald ist nur noch Stu gesund.
Es gibt noch andere, die immun sind. Frannie Goldsmith macht mit ihrem Freund Schluss, nachdem der sie geschwängert hat. Sie hat eine harte Auseinandersetzung mit ihrer Mutter, doch diese stirbt sehr bald, als Captain Trips nach Ogunquit, Maine, kommt.
Nick Andros wacht in einer Gefängniszelle auf, doch er ist das Opfer, was der Sheriff von Shoyo auch weiß, Nick ist taubstumm, und weil alle Welt hier in Shoyo erkältet ist, wird Nick bald trotz seiner Behinderung Hilfssheriff. Aber sowohl sein Vorgesetzter als auch seine Gefangenen sterben vor sich hin.
Larry Underwood ist Sänger, und er hat es geschafft, er hat einen Hit in den Billboardcharts. Doch nach ein paar kleinen Exzessen fährt er nach New York und besucht seine Mutter, bevor ihn der Drogendealer erwischt, bei dem er übelst Schulden hat. Hier in New York wird viel gehustet, eine Metropole stirbt einfach aus.
Lloyd Henreid ist mit seinem Gefängniskumpel Poke auf Amokfahrt. Er wird erwischt, Poke stirbt bei einer Schießerei und die beiden haben eine Menge Tote auf dem Gewissen - nichts gegen Captain Trips, aber kurz bevor der zuschlägt, funktioniert die Justiz noch und Lloyd steckt im Gefängnis, während seine Mitgefangenen genauso wie die Wärter das Husten anfangen.
Als die Nicht-Immunen dazu übergehen, Faulgase abzusondern, bleiben nur noch wenige Menschen übrig. Und sie alle träumen von einer unglaublich alten Frau, der hundertachtjährigen Abigail Freemantle, genannt Mutter Abagail, die in Hemingford Home, Nebraska, ihre Gospel singt, und von ihrem Gegenspieler, dem dunklen Mann, Randall Flagg, durchaus auch schon aus anderen Romanen Kings bekannt. Dieser irgendwie übersinnliche Typ macht allen Angst, aber manche sehen in ihm auch eine Führungsfigur, und so sammelt er seine Schäfchen rund um Las Vegas, während Mutter Abigail die ihrigen in Boulder, Colorado sammelt. Es kommt zum letzten Gefecht.
"Das letzte Gefecht", unter diesem Namen wurde der Roman ursprünglich veröffentlicht. Stephen King hatte ihn selbst stark eingekürzt, und da man ja inzwischen wusste, dass King alles verkaufen kann, wurde 1990 der zwölf Jahre alte Roman in voller Länge und mit einer kleinen Überarbeitung noch mal ganz neu veröffentlicht, mit einer großen Menge neuer Szenen und einer Gesamtlänge von 1129 Seiten in der vorliegenden Auflage. Allerdings nicht, wie heute üblich, über elfhundert Seiten in großer Schrift, mit viel Durchsatz und großen Rändern, sondern eng und klein gedruckt und so wirklich eine Unmenge an Buch.
Die ersten 250 Seiten nutzt King für die Einleitung, und es ist zu vermuten, dass ihm viele Leser hier eine gewisse Geschwätzigkeit vorwerfen, aber dieser erste Teil ist schon äußerst beeindruckend. Mehr Tote kann man kaum in ein Buch einbringen - aber wenn Captain Trips gewütet hat, und man kann sagen, er hat schrecklich gewütet, dann kommt ein ganz neues Buch, eine ganz neue Geschichte in einer ganz neuen Welt zustande, in einer Welt, die erst mal bereitet werden musste. Dann wird es zum Roadmovie, denn wie sammelt man sich, in einer Welt, in der es alles gibt - außer Strom -, aber keine Menschen mehr? Wie fährt man über Straßen, auf denen Leichen in ihren überall verstreuten Autos vor sich hinfaulen? Und wenn die "Guten" alle in Boulder versammelt sind, wie macht man eine neue Gesellschaft, und wie macht man eine Großstadt wieder lebenswert, und wie stellt man den Strom wieder an? SimCity ist nichts dagegen.
Und letztendlich: wie wird man mit dem dunklen Mann fertig? Ein viertes Buch in einem. Also wirklich ein Mammutwerk, ein Musterbeispiel von Kings wunderbarer Schreibe, nebenbei auch so brutal und eklig, wie es nur King kann, und wirklich sauspannend. Eine Lektüre, die ihre Leser ein paar Tage oder Wochen beschäftigt, je nach Lesetempo, und sie in einer nachapokalyptische Welt hineinzieht, in der auch die Naturgesetze nicht mehr alle wirklich funktionieren. Natürlich ist es auch eine Schlacht von Gut gegen Böse, aber mit so viel Tiefe geschrieben, dass dieses Klischee nie nervt.
Was für ein Buch! Unbedingt lesen!