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Theo Boone lebt in einer amerikanischen Kleinstadt, in der selten mal etwas Aufregendes passiert. Für den Dreizehnjährigen, dessen Eltern beide Anwälte sind, gibt es nichts Spannenderes als die Justiz – er träumt davon, eines Tages selbst im Gerichtssaal flammende Plädoyers zu halten und für Gerechtigkeit zu sorgen. Als dann ein spektakulärer Gerichtsprozess das kleine Städtchen in Atem hält, kann Theo sein Glück kaum fassen: Ein Mann namens Pete Duffy ist angeklagt, seine Frau ermordet zu haben. Die Indizien sprechen zwar für den Mord, aber die Anklage kann nichts beweisen. Theo hat ein ungutes Gefühl bei der Sache. Als dann ein Zeuge zu ihm kommt, der entscheidende Hinweise auf den Hergang der Tat liefern kann, befindet sich der Junge in einer bösen Zwickmühle, denn der Zeuge will nicht erkannt werden und auf keinen Fall aussagen. Soll Theo seinen Informanten verraten – oder einen Mörder ungeschoren davonkommen lassen? Theo braucht einen guten Plan …
"Theo Boone und der unsichtbare Zeuge" ist das erste Jugendbuch von Bestsellerautor
John Grisham, der mit seinen Justizthrillern Weltruhm erlangte. Trotz der wirklich coolen Idee – ein Junge als Anwalt, der einen spannenden Fall löst – ist das Experiment Jugendbuch leider nicht geglückt, denn Grisham hat sich scheinbar eins vorgenommen: so humorlos und bieder wie möglich an die Sache heranzugehen. Der Mangel an Humor wäre nicht weiter tragisch, denn Spannung und eine clevere Auflösung hätten ja ausgereicht – doch auch hier: Fehlanzeige. Am Ende fühlt man sich regelrecht betrogen, denn die Auflösung, die Grisham bietet, ist eigentlich keine echte Lösung und erinnert ungut an seinen letzten Erwachsenen-Roman "
Der Anwalt", dessen Handlung am Ende ebenfalls im Sand verlief. Man kommt sich vor, als hätte man vier CDs lang Vorgeplänkel auf den eigentlichen Fall gehört und wird am Ende doch nur hingehalten. Theos "toller" Plan beschränkt sich auf ein Gespräch mit seinen Eltern.
Bei der Wahl seiner jugendlichen Hauptfigur beweist Grisham ebenfalls kein wirklich gutes Händchen: Theo Boone ist wohl eine der langweiligsten Romanfiguren, die je erfunden wurden. Stets freundlich und hilfsbereit, sozial engagiert, folgsam gegenüber den Eltern, supergut in der Schule, trotz seines Alters kein bisschen an Mädchen interessiert (!), farblos – gähn! Die Ecken und Kanten, die Grisham seinem Held bemüht mit auf den Weg gegeben hat (die Zahnspange, die Theo nicht mag, ein Hund, den er aus dem Tierheim gerettet hat), machen ihn, zumindest in dieser Hörbuchfassung, auch nicht spannender. Und Theos Familie ist ebenfalls wie aus einem Bilderbuch entsprungen: Die Eltern sind wohlhabend und konservativ, samstags geht der Vater mit seinem Sohn zum Golfen (wenn der nicht gerade Privatunterricht hat), und jeden Mittwoch wird in einer Obdachlosenunterkunft geholfen, wobei einem die hispanischen Flüchtlinge, die Grisham beschreibt, wie vom anderen Stern vorkommen, denn Theos Welt ist die Welt der Privilegierten. Identifikationspotential: null.
Was man dem Autor zugutehalten kann ist immerhin, dass er mit seinem Buch jungen Leser, die sich für das amerikanische Justizsystem interessieren, dieses spielerisch näher bringt und viele Begriffe aus dem Anwaltsalltag erklärt. Dennoch wirkt hier vieles inszeniert: Theos Klassenkameraden fragen etwas und hören dann bewundernd zu, wenn Theo ausführlich einen kleinen Vortrag über die Rolle der Geschworenen oder die Unschuldsvermutung hält. Im normalen Leben hätte sich der stromlinienförmige Theo wahrscheinlich die eine oder andere Beschimpfung als Streber und Schleimer anhören müssen, hier hingegen berät er seine Klassenkameraden und deren Eltern nach der Schule in Rechtsfragen (unentgeltlich natürlich).
Auch die Lesung von
Oliver Rohrbeck kann das Hörbuch leider nicht retten. Überdeutlich akzentuiert und mit gemächlichem Lesetempo unterstreicht er die Behäbigkeit der Geschichte noch. Oliver Rohrbeck ist ein toller Sprecher, aber was soll er aus dieser lahmen Story herausholen?
Es bleibt abzuwarten, ob der nächste Fall von Theo Boone – eine Serie ist geplant – spannender und origineller wird, dabei weniger brav und bilderbuchmäßig inszeniert. Im ersten Teil jedenfalls hat Grisham leider durchblicken lassen, dass er nicht wirklich Ahnung davon hat, wie man ein Jugendbuch schreibt.
Eine Hörprobe gibt es auf der Website des Verlags.