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Lange hat Sarah Kuttner die Gleichaltrigen in Deutschland begleitet, erst als MTV- und Viva-Moderatorin, dann als Kolumnenschreiberin für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress, mittlerweile als Talkmasterin und Autorin. Ihre Art, Gedanken zu formulieren oder niederzuschreiben, trifft immer ins Mark und ist immer so genau beobachtet, dass es fast Angst einflößend ist. So auch bei "Wachstumsschmerz".
Lu und Flo sind seit vier Jahren ein Paar, ein glückliches, harmonisches, verliebtes noch dazu. Um sie herum wird geheiratet, gestritten, Kinder bekommen, während die beiden nach wie vor ihre getrennten Wohnungen haben. Doch als auch diese beiden den Schritt des Zusammenziehens wagen wollen, können sie noch nicht absehen, welche Folgen das für die Beziehung haben wird.
Nach langer Wohnungssuche, nach stressigem Umzug haben beide das Gefühl, jetzt im Erwachsenenleben angekommen zu sein. Und das ist ein beängstigendes Gefühl: Wie viele Sachen wird man jetzt noch zum ersten Mal erleben? Kann es noch Überraschungen und Spannung geben? Auch in dieser schönen Beziehung schleicht sich der Alltag ein, werden kleine Probleme zu übergroßen Hindernissen und Ängste zu ausgewachsenen Sorgen.
In "
Mängelexemplar" beschrieb Sarah Kuttner das Gefühl, Angst zu haben, nicht mehr weiter zu wissen und zu können. Um ähnliche Themen, wenn auch in anderem Zusammenhang, geht es in "Wachstumsschmerz" ebenfalls. Die Probleme des Erwachsenwerdens sind auch mit Anfang 30 noch nicht bewältigt, immer noch quält viele das Peter-Pan-Gefühl: Am liebsten würde man immer Kind bleiben, niemals erwachsen werden - doch man muss. Und dass dann eines Tages keiner mehr da ist, der einem sagt, welche Richtung im Leben man einschlagen muss, das ist beängstigend. Vor allem die Protagonistin Lu erlebt diese Angst: Mit dem Beruf ist sie unzufrieden, die Beziehung, die so schön war, verändert sich nach dem Zusammenziehen schleichend, und die Frage, ob das wirklich schon alles an Spannung im Leben war und was man jetzt bitte mit den nächsten 30 Jahren machen soll, quält sie.
Sarah Kuttner legt, fein beobachtet, in Salz getauchte Finger in Wunden und sorgt so dafür, dass die Lektüre von "Wachstumsschmerz" nicht einfach ist. Das betrifft nicht das Lesen selbst: Kuttner schreibt, wie sie redet - frei von der Leber weg, mit schönen Bildern, klaren Formulierungen und sehr viel Humor. Aber die Fragen, die sie ihrer Protagonistin mitgibt, die charakteristischen Schwierigkeiten, die so viele Menschen dieses Alters betreffen, tun beim Lesen fast weh. Zu ähnlich sind Lebensläufe und Sorgen, um "Wachstumsschmerz" lesen zu können, ohne ins Grübeln über das eigene Leben zu kommen.
Auch wenn die Beziehung zwischen Lu und Flo der große Aufhänger ist, aus der sich viele Situationen ergeben, darf dieses Buch nicht als Roman über die Liebe missverstanden werden. Diese Kapitel sind so viel mehr als das typische Buch über Liebe oder Liebeskummer, sondern thematisieren immer wieder, in verschiedensten Ausprägungen, das Thema Erwachsenwerden, vor allem im Bezug auf das innere Wachstum oder die Reife.
"Wachstumsschmerz" beeindruckt, berührt und wirkt lange nach, nicht nur bei Sarah Kuttner-Fans (wie der Rezensentin persönlich), sondern bei all denen, die vom ewigen Thema des Erwachsenwerden-Müssens betroffen sind.