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Von Ende Juni bis Anfang Oktober 2008 findet in der Kunsthalle Bremen eine Ausstellung zu Gustave Caillebotte statt, einem der weniger bekannten impressionistischen Maler, der erst in letzter Zeit als Künstler "entdeckt" wird. Auch zu Lebzeiten hatte sich Caillebotte eher einen Ruf als erfolgreicher Philatelist, Sportsegler und Bootskonstrukteur sowie als Gartenarchitekt erworben. Anders als zum Beispiel Monet musste sich Caillebotte nie seinen Lebensunterhalt verdienen und auch keine Familie unterhalten, sodass er es nicht nötig hatte, mit seinen Kunstwerken Erträge zu erzielen, weshalb er in der Öffentlichkeit seiner Zeit bezüglich der Kunst vorrangig als Mäzen und Sammler in Erscheinung trat.
Das vorliegende Buch dient einerseits als Katalog zur genannten Ausstellung, andererseits informiert es über Caillebottes Leben und Werk. Es besteht aus mehreren Essays, die Caillebotte in den kunst- und kulturhistorischen Kontext des 19. Jahrhunderts einordnen und zugleich seine Individualität herausstellen sowie seine bevorzugten Motive erläutern. Eine detaillierte Biografie des Malers, die auch auf dessen andere Talente und Passionen angemessen eingeht, findet sich vor einer Bibliographie am Ende des Buchs.
Der Katalog selbst ist zentral in das Buch eingebettet. Die ausgestellten und abgebildeten Gemälde und Skizzen sind nach Themenkomplexen gegliedert; ihnen ist jeweils eine sehr informative Einführung vorangestellt, sodass der Leser einen umfassenden Eindruck von Caillebottes Schaffen und bevorzugten Motiven erhält: zum Beispiel moderne bürgerliche Interieurs seiner Zeit, Arbeiterbilder, zu deren bekanntesten wohl die "Parkettabzieher" gehören, das sich rasant entwickelnde Paris seiner Zeit und als Gegensatz hierzu das Landleben gut Situierter in der Nähe von Paris, Motive aus seinem Garten in Petit Gennevilliers, Gemälde, die sich mit Caillebottes Leidenschaft für Boote befassen, und vieles mehr.
Caillebotte wird selten genannt, wenn es darum geht, Vertreter des Impressionismus zu benennen. In der Tat gehört er eher zu den vergessenen Impressionisten.
In der Einführung findet der Leser bereits zahlreiche interessante Fakten und Interpretationen zu Caillebottes Leben und Werk. Die Essays präsentieren Caillebotte als Maler und ebenso in seinen anderen "Berufen". Einzelne Essays stellen Caillebotte anderen Persönlichkeiten seiner Epoche gegenüber, so dem Malerkollegen Monet, mit dem ihn einige Gemeinsamkeiten verbinden, etwa der Hang zum Wasser und zum Landleben, von dem ihn jedoch auch vieles unterscheidet, neben der stark abweichenden finanziellen Situation unter anderem der Grad der realistischen Darstellung. In einem anderen Essay wird Caillebottes Malerei zu Maupassants Erzählkunst in Beziehung gesetzt.
Das erstaunliche Multitalent Gustave Caillebotte tritt zudem in zwei Artikeln zutage, die sich mit des Malers Segelbooten und seiner häufig sehr erfolgreichen Teilnahme an Regatten befassen sowie mit seinen eigenen Konstruktionen und Optimierungsmaßnahmen beim Bootsbau; etliche Modelle, Pläne und komplette Boote aus Caillebottes Besitz sind abgebildet. Die Essays enthalten auch viele weitere Illustrationen, zum Beispiel Abbildungen von Karikaturen, mit denen Werke der Impressionisten geschmäht wurden, und detaillierte Karten der Orte, in denen Caillebotte lebte.
Die Lektüre ergibt also ein farbenfrohes, mosaikartiges Bild von Caillebottes Leben, seiner Motivation und der Vielfalt seiner Begabungen; er mag qualitativ nicht zur ersten Reihe der Impressionisten gehören, ganz sicher jedoch - und nicht nur aufgrund seiner Vita, sondern auch seines scharfen Blickes für abbildenswerte Situationen und Eindrücke - zu den interessantesten.
Das Buch enthält naturgemäß zahlreiche Bilder: Innerhalb der Essays findet man kleine Abbildungen von Gemälden, auf die der jeweilige Text sich bezieht, sowohl von Caillebotte als auch von anderen Künstlern, die teils auch im Katalogteil in größerem Format zu sehen sind. Im Katalog ist jedem Bild eine eigene Seite gewidmet, die es, je nach Originalformat, mehr oder weniger ausfüllt. Dank dem recht großzügigen Seitenformat ergibt sich so ein guter Eindruck von Komposition und Aussage der Bilder, zumal auch die Druckqualität erstklassig ist.
Zu jedem Bild sind die üblichen Informationen angegeben: Titel und (französischer) Originaltitel, Entstehungsjahr, Material und Format, Eigentümer sowie Signatur oder Stempel, wenn vorhanden.
Dieses Buch dürfte für jeden Freund der Impressionisten sehr attraktiv sein, insbesondere, wenn man sich auch für die weniger berühmt gewordenen Künstler dieser Richtung interessiert - wer die Ausstellung besucht hat, erhält eine Fülle von Informationen und kann den Besuch in Ruhe nachbereiten; hat man sie versäumt, so erweist sich das Buch nicht nur als ein vorzüglich gestalteter Katalog, sondern auch als inhaltlich und von der Gestaltung her wertvolles Sachbuch.