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Nachdem das erste Buch mit Coaching-Tools, das Christopher Rauen herausgegeben hat, äußerst erfolgreich war (siehe
"Coaching-Tools"), musste natürlich ein zweites her. Man kennt das ja vom Kino: Der erste Teil wird ein Riesenerfolg, und - finanziell gesehen - der zweite auch, obwohl er sich wie ein Papier-Hamburger gegen ein Fünf-Sterne-Menü ausnimmt. Wer sich von diesem Phänomen nicht vereinnahmen lassen möchte, muss sorgfältig abwägen, wie der zweite Teil den Erfolg fortsetzen kann, ohne das Konzept zu wiederholen. Rauen ist dies geglückt.
Zwar baut sich das Buch nach demselben Schema auf wie der erste Teil, doch verlagern sich die Schwerpunkte deutlich. Wieder gibt es fünf große Abschnitte:
1. Come together (Kennenlern- und Kontaktphase),
2. Orientation (Inhaltliche Orientierung),
3. Analysis (Untersuchung des Klientenanliegens und des Klientenumfeldes),
4. Change (Veränderungsphase) und
5. Harbour (Zielerreichung und Abschluss).
Wieder werden die einzelnen Artikel nach dem gleichen Schema aufgegliedert, so dass man sich rasch orientieren kann.
Zwei wichtige Änderungen findet man aber trotzdem: Zum einen ist dem Buch ein längerer Artikel über den professionellen Einsatz von Coaching-Tools vorangestellt. Hatte das erste Buch nur in manchen Artikeln und gar zu selten Bezüge zur Ethik und zur Wissenschaftstheorie einer sozialen Praxis, wird dieses Verhältnis hier scharf, wenn auch schlaglichtartig beleuchtet. Es dürfte kaum verwundern, wenn manchem aktionistischen Zeitgenossen dieser Aufsatz gegen Gefühl und Verstand geht, und andere sich hier mit hohlen Begrifflichkeiten versorgen: Der Kern dieses vorangestellten Aufsatzes ist hervorragend, polemisch gegen das Machen von Machbarkeiten gerichtet und eine Warnung für alle, die Intervention an Intervention reihen, ohne einen Unterbau zu besitzen.
Diese erste Änderung wird von einer ganz anderen, zweiten Änderung begleitet: Das erste Buch hat stärker systemische Ansätze vorgestellt, hier nun finden sich vermehrt humanpsychologische Hintergründe in den Artikeln.
In dem ersten Abschnitt des Buches -
Come together - werden sowohl Techniken vermittelt, den Erstkontakt zu strukturieren, als auch Möglichkeiten, sich auf das Coaching insgesamt einzustellen, also das Arbeiten an der eigenen Persönlichkeit des Coachs, wie zudem Möglichkeiten der Akquisition. Diese sehr unterschiedlichen Artikel machen schon deutlich, dass wie im ersten Band die Übergänge sehr fließend sind und die Wege mehrdimensional verlaufen.
Der folgende Abschnitt
Orientation stellt vor allem Techniken vor, mit denen der Coach die Bezüge eines Themas herausarbeiten kann: den Kontext des Coaching-Auftrages, die innere Umwelt des Klienten, seine Persönlichkeit, seine Energiereserven. Dabei werden hier - anders als im ersten Buch - stärker kreative, in einem Fall sogar eine Zufallstechnik (
Sinn-ier-Karten) vorgestellt. Statt also strenger lösungsorientiert zu arbeiten, wird an den Persönlichkeitsstrukturen des Klienten gerüttelt: Zu diesem Ziel gehören projektive, dramatisierende und aleatorische "Tools".
Auch der dritte Teil
Analysis wird von solchen Techniken stärker, nicht aber ausschließlich, geprägt. Es gibt auch hier Artikel mit vornehmlich analytischen Verfahren, zugleich aber stark projektive Techniken (
Der Zirkus,
Das fiktive Klassentreffen) oder begleitende Verfahren (
Spurensicherung - eine höchst ungewöhnliche, sehr dichte Technik). Insgesamt unterscheidet sich der dritte Teil wenig bis gar nicht vom zweiten Teil. Es liegt am Coach selbst, wie scharf er hier auf einzelne Aspekte eingeht und wie sehr er den Klienten aus der ersten Orientierung in eine Zergliederung des Problemfeldes und ein Aufteilen der Lösungsmöglichkeiten führt.
Fast dasselbe kann man auch vom vierten Teil des Buches sagen - dem
Change. Weiterhin nehmen projektive Techniken einen breiten Raum bei den Tools ein: Sie führen jeweils von einer diagnostizierten Ausgangspunkt zu verschiedenen Lösungswegen, die teils rein projektiv, teils psychodramatisch, teils hypnotherapeutisch oder narrativ Wunschziele oder praktikable Wege erarbeiten. Während zum Beispiel
Hinsehen und umwandeln den Klienten stark auf eine Lösung hinlenkt, erarbeitet der Coach mit dem Klienten beim Tool
Pseudo-Orientierung in der Zeit nur einen gewünschten Endzustand, und überlässt das Finden der Lösung dem Unbewussten des Klienten.
Harbour, der letzte Teil des Buches, stellt Abschlussinterventionen vor. Hier soll vor allem noch einmal der Transfer in die Berufswirklichkeit abgesichert werden. Von eher klassischen Elementen der Evaluation mit Hilfe von Skalen und Fragebogen reicht die Palette der Tools bis zum Einüben von Selbsthypnose oder einen Transfer systemischer Abschlussinterventionen auf den Coaching-Bereich. Sabine Dembrowski steuert einen Aufsatz zur quantitativen Erfolgsmessung der Coaching-Ergebnisse für das Unternehmen bei.
Das zweite Buch mit Coaching-Tools kann dem hohen Maßstab, der mit dem ersten Buch gelegt wurde, durchaus gerecht werden. Allerdings findet man hier viele Ansätze vor, die aus älteren Schulen stammen und die teils implizit, teils explizit psychodynamisch argumentieren. Und hier kann man nur die Warnung wiederholen, die auch das erste Buch begleitet: Ohne einen guten theoretischen Hintergrund sind all diese Tools nur Tricks, um eine Coaching-Stunde aufzufüllen. Gerade wenn von psychodynamischen Symbolisierungen ausgegangen wird, wie dies in
Psychodynamische Fallaufstellung von Beate West-Leuer geschieht, reicht ein oberflächliches Wissen um die Psychoanalyse nicht aus, ja selbst ein mittelmäßiges Wissen kann hier zu wenig sein, um das Coaching fruchtbar werden zu lassen.
All diese Hintergründe kann dieses Buch nicht geben; es ist auch nicht seine Aufgabe. Die jeweiligen Literaturhinweise am Ende eines Artikels sind teilweise nur Einstiegslektüre: das hängt davon ab, wie tief das jeweilige Tools in das Leben des Klienten eingreift und wie viel Auswirkungen und Verunsicherungen der Coach hier auffangen muss.
Das Buch bietet wieder eine bunte Vielfalt an Werkzeugen an. Diese arbeiten oft dichter an den unbewussten Anteilen des Klienten und sind deshalb auch voraussetzungsreicher, was die Ausbildung des Coachs angeht. Die Einteilung in fünf Phasen wirkt etwas bemüht, kann aber gut für eine erste Orientierung sorgen. Sehr hilfreich ist auch die Tabelle zu Beginn des Buches, die zu bestimmten Coaching-Anlässen auf bestimmte Artikel verweist und so dem Leser bei der Suche nach Tools zum Beispiel zum Karriere-Coaching oder zur Entscheidungsfindung und anderem das Suchen erspart.
Insgesamt also ein ganz anderes und trotzdem genauso hervorragendes Buch wie das erste. Es ist kein Buch für Einsteiger, aber eine Fundgrube für jeden erfahrenen Coach, der mit einem humanpsychologischen Hintergrund arbeitet.