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Amokläufer, Suizidgefährdete - oder anders ausgedrückt Außenseiter - werden zumeist und zudem sehr voreilig vom öffentlichen Bewusstsein typisiert, katalogisiert und schließlich stigmatisiert, ohne dass sich dabei Gedanken um die Auslöser und eigentlichen Motivationsgründe gemacht werden. Sicherlich einer der unschönsten Wesenszüge unserer immer mehr auf Oberflächlichkeiten bedachten, jedoch nur scheinbar so "normalen" Gesellschaft. In seiner nunmehr dritten Kurzgeschichtensammlung blickt der ebenso versierte wie vielseitige österreichische Autor Rainer Innreiter hinter die Fassaden der Sonderlinge und Eigenbrötler und bringt dabei so manchen nachdenklich stimmenden Askpekt hervor.
In "Reduziert" widmet sich der Autor beispielsweise eines Mannes, der sein Leben lang eine besonders emotionale Bindung zu seiner Mutter gehabt hatte, die nun im Sterben liegt. Welche Gedanken gehen einer solchen Person durch den Kopf - und kann sie überhaupt loslassen?
"Dicke Liebe" nimmt sich des kontroversen Themas "Feeding" an, dem dranghaften sexuellen Bedürfnis, den Partner buchstäblich zu mästen.
Was treibt ein junges Mädchen dazu, einen Suizidversuch zu verüben? Davon handelt die Story "Eine zweite Chance."
Der 19-jährige Thorsten ist Patient in einer Heilanstalt und erzählt in "Einen Augenblick lang Gott" seine Geschichte - und über jenen ganz besonderen Moment.
"Das bedrückende Schweigen der Einsamkeit" bekommt eine schüchterne Angestellte am ganzen Leibe zu spüren, nachdem sie sich eingeschlossen in einer Toilettenkabine wiederfindet. Ob die "lieben Kollegen" wohl dahinter stecken? Oder hat ihr doch nur das Schicksal perfide mitgespielt?
"Schnitte" sind es, die es dem depressiven Protagonisten der gleichnamigen Geschichte so viel einfacher machen könnten ... doch dann erscheint Vanessa. Und mit ihr die Aussicht auf Geborgenheit, Vertrauen und Liebe. Oder doch nicht?
Ein alter Wohnblock wird gesprengt. Ein eigentlich völlig alltägliches Unterfangen, wie man meinen könnte, doch in Axel ruft es unschöne "Erinnerungen" hervor ...
Eine halbe Ewigkheit war Sonja hinter ihm her gewesen, nun ist der große Augenblick gekommen: Sie steht jenem Menschen gegenüber, der für das Verschwinden ihrer Schwester verantwortlich ist - dem "Sammler" ...
In "Gedanken eines Vaters" darf der geneigte Leser an den Einfällen und Denkinhalten eines verzweifelten Mannes teilnehmen - eines äußerst verzweifelten Mannes ...
Der "Schattenschweiger" nervt seine Umwelt - oder in diesem Fall seine Sitznachbarin - durch das konstante Zeichnen von imaginären Quadraten auf Tischtüchern. Oberflächlich betrachtet nichts Außergewöhnliches, doch eine genauere Betrachtung lässt den Tic in einem vollkommen anderen Licht erscheinen ...
"Sandra" ist zwölf Jahre alt, lebt bei ihrer alkoholkranken Mutter und wünscht sich nichts sehnlicher, als in der scheinbar heilen Welt leben zu dürfen, die ihr Vater sein Eigen nennt. Entgegen aller Warnungen ihrer imaginären "Fee" büchst sie eines Tages aus und steigt in den nächsten Zug ...
Mit der für ihn typischen Mischung aus sprachlicher Vielfalt und psychologischer Tiefe erzählt Rainer Innreiter von elf unterschiedlichen Schicksalen, die allesamt ihre Wurzeln in der Alltagswelt haben. Dabei nimmt er die Rolle eines neutralen Berichterstatters ein, der weder richtet noch Abscheu zeigt - dadurch allerdings nicht selten den Leser dazu bringt, seine eigenen Vorurteile preiszugeben. Ein ebenso geschickter wie brillant ausgeführter Schachzug des Autors.
Fazit: Ein kleines, aber in der Tat sehr feines Büchlein, dem es stellenweise gelingt, sich mit den eigenen Ressentiments befassen zu müssen, und nach Beendigung nachdenklich stimmt.