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Psychothriller auf den Bestsellerlisten sind keine Seltenheit. Psychothriller aus deutschen Landen, die sich gut verkaufen, sind dagegen eher nicht an der Tagesordnung. Sebastian Fitzeks Debütroman "Die Therapie" ist so ein Fall: Wie auch mit seinen darauf folgenden Romanen landete der Berliner Autor bereits mit diesem Erstling einen Volltreffer. Grund genug, einen genaueren Blick auf das Werk zu werfen - auch wenn dieser ziemlich ernüchternd ausfällt.
Den Berliner Starpsychiater Viktor Larenz hat ein schlimmes Schicksal getroffen: Seine kleine Tochter Josy verschwand von einem Tag auf den anderen spurlos. Vier Jahre sind seitdem vergangen, doch immer noch weigert sich Viktor, an ihren Tod zu glauben - und sucht stattdessen weiter nach ihr. Wurde das Mädchen, das an einer rätselhaften Krankheit litt, von jemandem entführt? Und wenn ja, von wem? Wer könnte einer Familie das denkbar Schlimmste antun? Diese Fragen beschäftigen Viktor Tag für Tag, und er kann keine Ruhe finden. Um sich eine Auszeit zu nehmen und an einem Interview für eine große deutsche Boulevardzeitung zu arbeiten, zieht er für ein paar Wochen auf die einsame Nordseeinsel Parkum. Doch dort wartet Unerklärliches auf ihn: Eine schöne junge Frau namens Anna Spiegel besucht ihn in seinem Haus - mit der Bitte um therapeutische Behandlung. Zunächst lehnt Viktor ab, denn er praktiziert seit langer Zeit nicht mehr. Aber dann erzählt sie ihm die Geschichte ihrer Schizophrenie und davon, dass eine ihrer Wahnvorstellungen ein kleines Mädchen namens Charlotte beinhaltet, deren Leben unheimliche Parallelen zu Viktors Tochter Josy aufweist. Kann Anna etwas mit der Entführung zu tun haben? Wie hat sie ihn überhaupt gefunden, hier auf Parkum, wo er doch kaum jemanden über seine Reise informiert hatte? Viktor lässt sich auf Gespräche ein, doch je tiefer der Experte in Annas Fall einsteigt, umso mehr Unstimmigkeiten ergeben sich. Seine eigenen Recherchen werfen weitere Fragen auf - und während ein heftiger Sturm über die Insel hereinbricht, muss Viktor nicht nur mysteriöse Zusammenhänge klären, sondern auch bald um sein Leben fürchten ...
Gleich mit seinem ersten Roman "Die Therapie" gelang Sebastian Fitzek ein Bestseller mit durchschlagendem Erfolg: Es folgten Übersetzungen in viele andere Sprachen sowie eine Nominierung für einen renommierten Krimipreis - und die Filmrechte sind auch bereits verkauft. So ganz nachvollziehbar ist diese Begeisterung für den 2006 erschienenen Roman nicht, denn von einem Top-Thriller ist "Die Therapie" noch meilenweit entfernt. Fitzeks Schreibstil wirkt oft unausgereift, die Metaphern seiner sehr bildlichen Sprache gelegentlich fast billig, die Geschichte über weite Strecken so überkonstruiert, dass man sich an die seligen Zeiten der "Purpurnen Flüsse" erinnert fühlt, die bewiesen, dass genug Wendungen und verschwurbelte Handlungsstränge ausreichen, um Fragen nach der Logik auszuweichen, weil am Ende sowieso keiner mehr weiß, was eigentlich Sache ist. Sicher, schlecht geschrieben ist "Die Therapie" nicht - Fitzek gelingt es immerhin, überzeugende Charaktere zu zeichnen und eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen. Auch die Cliffhanger sind gekonnt am Ende der sehr kurzen Kapitel platziert, sodass man immer weiter lesen will, weil man das Gefühl hat, kurz vor der Auflösung zu stehen. Das ist natürlich vom Autor gewollt, und sobald man das begriffen hat, wirken die ständigen Überraschungen, Enthüllungen und aufregenden Ereignisse, die sich wie in einer Fernsehsoap aneinanderreihen, doch sehr selbstzweckhaft. Dass Fitzek die Spannung konstant aufrecht erhält, ist auch bitter notwendig: Die Pointe des Buches, den finalen Clou, wird der erfahrene Thrillerleser, wenn er einigermaßen aufpasst, bereits nach weniger als einem Drittel des Buches erraten können. Alles, was folgt, dient der Bestätigung dessen, was man bereits vermutet. Die Auflösung ist entsprechend unspektakulär, doch glücklicherweise hat der Autor ganz am Ende noch eine weitere Wendung - gefühlt die letzte von etwa 300 - eingebaut, mit der man wirklich nicht rechnet. Das alles ergibt nette, schnell lesbare und anspruchslose Unterhaltung für zwischendurch, aber sicherlich kein Werk, das es mit den großen Thrillern der letzten Jahre aufnehmen könnte.
Fazit: Wer sich gerne verwirren lässt und nicht viel Wert auf Logik und Realismus legt, darf hier ruhigen Gewissens zugreifen und sich spannend unterhalten lassen. Nur das Nachdenken sollte man während Lesens tunlichst unterlassen.