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Anne Bishops Zweiteiler um die Landschaften von Ephemera trumpft mit einem Weltenkonzept auf, das so originell ist, wie es einem schon lange nicht mehr untergekommen ist: Ephemera ist nämlich eine Welt, die auf das Wesen und die Empfindungen ihrer Bewohner reagiert und sich dadurch in konstanter Veränderung befindet: Dunkle Gefühle wie Hass oder Eifersucht lassen Wälder verdorren und ziehen Unheil an, Freude und Glück hingegen vermögen es, eine längst ausgetrocknete Quelle wieder zum Sprudeln zu bringen. Zudem ist Ephemera in zahlreiche Stücke zersplittert - Landschaften genannt - die durch magische Brücken miteinander verbunden sind. Ein Mensch kann sich nur dort aufhalten, wo sein Herz die sogenannte Resonanz der Landschaft teilt. Bei jeder Reise über eine Brücke läuft man Gefahr, sich durch weitere Erfahrungen so zu verändern, dass man niemals einen Weg zurück findet.
Damit nicht alles aus dem Gleichgewicht gerät und die Landschaften nicht dem totalen Chaos verfallen, gibt es die Landschafferinnen: Frauen, denen es gegeben ist, die Strömungen von Ephemera und den Gefühlen der Menschen zu kanalisieren und so direkten Einfluß auf das Erscheinungsbild der Landschaften zu nehmen.
Glorianna Belladonna gilt als die mächtigste Landschafferin ihrer Zeit: Sie vermag wie keine andere, das sich ständig wandelnde Antlitz ihrer Welt Ephemera zu formen, ihm Gestalt zu verleihen. Ob ihrer Macht jedoch wird sie gefürchtet, wurde zur Ausgestoßenen und hat nur wenige Vertraute, die sie verstehen. Zum Ende des Auftaktbands der Duologie - "Sebastian" - war es ihr gelungen, die Stadt der Zauberer samt ihrer korrupten Bewohner dem sogenannten Urteil des Herzens zu unterwerfen. Sie stellen keine Bedrohung für die Landschaften mehr dar. Der Weltenfresser jedoch, die weit größere Gefahr für Ephemera, ist noch immer auf freiem Fuß. Er ist ein Wesen des Bösen, das die Alpträume der Menschen Wirklichkeit werden lassen kann und immer mehr Landschaften zu lebensvernichtenden Orten macht. In "Belladonna" geht es um den fieberhaften Versuch der Titelheldin und ihrer Familie, dem Weltenfresser endgültig Einhalt zu gebieten.
Bereits in "Sebastian" hat sich die mysteriöse und einzelgängerische Landschafferin Glorianna Belladonna als die faszinierendste Figur der ganzen Handlung herausgestellt, so dass es sehr erfreulich ist, dass Anne Bishop sie nun in den Mittelpunkt des zweiten Teiles stellt und man endlich mehr von ihr, ihrer Geschichte und ihren Gedanken erfährt.
Auch mit dem Weltenfresser und seinen fürchterlichen Kreaturen hat die Autorin eine Bedrohung geschaffen, die sich wohltuend von den viel verwendeten Standards abhebt und wirklich furchterregend scheint. Zudem erzählt Bishop von Landschaften, denen man im ersten Teil nicht begegnet ist, und bevölkert dadurch den Roman auch mit einigen neuen Charakteren, die für frischen Wind in der Handlung sorgen. Zugegeben, die äußerst detailreich entworfene Welt und das Konzept dahinter, das in "Belladonna" noch einmal gewaltig erweitert wird, ist manchmal etwas schwer verständlich und man muss schon höllisch aufpassen, die vielen Begriffe wie "Wächter" und "Wahrer", "Resonanzbrücken" und "Portale" nicht durcheinanderzuwerfen. Letztendlich überzeugt jedoch die gut durchdachte, intelligente und erfrischend originelle Geschichte, die zudem noch mit einem teils erschreckenden, teils bittersüßen Ende aufwartet.
Da ist es umso ärgerlicher, dass Bishop ihre eigentlich recht realistische Charakterdarstellung von Belladonna im Bezug auf die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen ihr und dem Barden Michael nicht recht im Griff hat. Obwohl beide Figuren mitten im Leben stehen, gebärden sie sich wie Teenager - das nimmt der Leser der Autorin nicht ab. Hier wäre eine etwas weniger künstliche und nicht gar so süßlich-temperamentvolle Darstellung angebracht gewesen.
Trotzdem erweist sich "Belladonna" mit seiner eigentlichen Geschichte und dem umwerfenden Konzept als so stark, dass man darüber schlussendlich dann doch gerne hinweg sieht. Hinzu kommt, dass die Übersetzung durch Kristina Euler um ein Vielfaches gelungener wirkt als die ihrer Kollegin bei Bishops Saga um die "Schwarzen Juwelen". Hier hat Heyne, ebenso wie bei der stimmungsvollen Aufmachung des Taschenbuchs, ein gutes Händchen bewiesen.
Obwohl der Roman übergreifende Handlungsstrang um den Weltenfresser zum Ende des Buches abgeschlossen wird, birgt Ephemera noch gewaltiges Potential, so dass man wirklich hofft, Anne Bishop wird ihre Leser in einem - oder gern auch mehreren - ihrer zukünftigen Romane wieder mit in die Welt der wandelnden Landschaften nehmen.