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Einst war Michael Boone, genannt "Butcher", ein Star der australischen Kunstszene. Doch dann verlor er alles: erst seine Frau, im Zuge der Scheidung dann sein Haus und seine Kunstwerke, denn diese gingen in die "Scheidungsmasse" mit ein, und letztendlich seine Freiheit, als er im Gefängnis landete. Nun hat Michael nur dank der Gunst seines Mäzens ein Dach über dem Kopf und muss außerdem auf seinen geistig behinderten Bruder Hugh aufpassen, der 220 Pfund wiegt und dessen Lieblingsbuch "Der Zauberpudding" ist. Statt mit teuren Ölfarben zu malen, sieht Michael sich gezwungen, Dulux-Wandfarbe von der Behindertenrente seines Bruders zu kaufen, und auch sonst läuft alles ziemlich mies.
Michaels ödes Leben in der australischen Provinz nimmt eine unerwartete Wendung, als eines Tages eine äußerst attraktive junge Frau im Designer-Outfit im Haus auftaucht. Marlene ist Kunstkennerin und verheiratet mit Olivier Leibovitz, dem Sohn des berühmten Malers Jaques Leibovitz. Da Olivier das
droit moral an Leibovitz’ Werken besitzt - das Recht zu zertifizieren, ob ein Gemälde ein Original oder eine Fälschung ist - ist Marlene auf einer Reise, um ein Werk des Malers, das im Nachbarhaus hängt, zu besichtigen und auf seine Echtheit zu prüfen.
Doch am nächsten Tag ist das kostbare Gemälde verschwunden und der Verdacht fällt erstmal auf Michael Boone, den im Ort sowieso keiner leiden kann. Gemeinsam mit Marlene beginnt der berühmte Maler von einst eine irrwitzige Reise, die ihn erst nach Tokio und dann nach New York führt, im Schlepptau immer Hugh. Bald begreift Michael, dass die ebenso geheimnisvolle wie anziehende Marlene ganz und gar nicht so unschuldig ist, wie sie gerne tut, und dass es um Kunstraub, Kunstfälschung und vor allem viel, viel Geld geht ...
Wenn man Peter Carey liest, dann versteht man, warum der australische Autor gleich zweimal den begehrten Booker Prize abgeräumt hat - manche seiner Sätze sind pures Gold, so ausdrucksstark und klar, dabei aber unglaublich bildreich. Heute gilt Carey als bedeutendster lebender Autor Australiens.
Zentrale Figuren dieses Romans sind die beiden ungleichen Brüder Michael und Hugh - der eine ziemlich egoistisch und cholerisch, ein untergehender Stern am Kunsthimmel, der die Trennung von seiner Frau und seinen gesellschaftlichen und finanziellen Abstieg nicht verwindet; der andere nach üblichen Maßstäben zurückgeblieben und zu spontanen Gewaltausbrüchen neigend. In wechselnden Perspektiven berichten diese beiden Figuren in völlig anderem Stil, und bald wird dem Leser klar, dass Hugh trotz seiner eigenwilligen Art, die Dinge zu sehen und zu beschreiben, eigentlich sehr klare Momente hat und sowohl seinen Bruder als auch die hübsche Marlene ziemlich gut durchschaut. Hugh ist keineswegs dumm und führt zumindest gedanklich die teils absurden Mechanismen der Kunstszene ad absurdum.
Es ist von Vorteil, wenn man sich für Kunst interessiert, um dieses Buch zu mögen. Mit Genuss und voll sprachlicher Virtuosität lässt Peter Carey Michael Boone von seinen Schaffensprozessen berichten, lässt ihn Bilder bewundern, andere Künstler verachten und Vernissagen besuchen. Die ganze Story spielt im Milieu der internationalen Kunstszene und spart nicht an wichtigen Namen, von denen nicht jeder bekannt sein dürfte.
"Liebe - Eine Diebesgeschichte" hat erstaunliche Wendungen und besitzt auf eine skurrile Art viel Charme, vor allem ist sie sprachlich großartig geschrieben. Leider hat Peter Carey in der zweiten Hälfte des Romans das Tempo sehr stark herausgenommen; es passiert nicht besonders viel auf dem Weg nach Tokio oder New York, so dass man als Leser wirklich am Ball bleiben muss, um der Story weiter zu folgen. Wie der Titel verheißt, geht es sowohl um Diebstahl als auch um Liebe und Verführung - eine wahnwitzige Mischung aus Romantik und Betrug, die nicht immer einfach zu durchschauen ist, die aber verführerisch komponiert, auf hohem Niveau geschrieben und damit sehr reizvoll ist.