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In einer kalten Winternacht, so erzählt man sich im kleinen Fischerstädtchen Coldhaven, stieg der Teufel aus dem Meer und hinterließ eine Reihe von Fußspuren quer durch den Ort, bis er sich ins Landesinnere wandte und ebenso wie die Spuren verschwand. Seitdem soll das Böse in dem schottischen Dorf nisten.
Michael Gardiner, Sohn eines berühmten Fotografen, der sein Leben mit ziellosem Nichtstun verbringt, wird an seine Vergangenheit erinnert, als er eines Morgens eine Zeitungsmeldung liest: Eine Bewohnerin von Coldhaven hat sich und ihre beiden kleinen Söhne in einem Auto bei lebendigem Leib verbrannt, die vierzehnjährige Tochter hingegen verschonte sie. Michael Gardiner kennt Moira, die Tote, denn er hatte selbst eine Zeitlang eine Liebesbeziehung zu ihr, als er noch aufs College ging. Bald schon ist Michael von der fixen Idee besessen, dass er der Vater von Moiras Tochter Hazel, dem überlebenden Mädchen, sein könnte. Gleichzeitig bricht eine Reihe von Jugend- und Kindheitserinnerungen aus ihm hervor. Michael erinnert sich, wie seine Eltern, die in Coldhaven als Zugezogene stets Außenseiter waren, von den Dorfbewohnern systematisch terrorisiert und gemobbt wurden. Und auch Michael selbst fiel dieser Art von Schikane zum Opfer: Ausgerechnet der Bruder von Moira hatte ihm damals das Leben zur Hölle gemacht, bis der dreizehnjährige Michael sich eines Tages zur Wehr setzte und den Peiniger tötete.
Der Klappentext von John Burnsides Roman "Die Spur des Teufels" will den Leser glauben machen, es handle sich um einen Thriller - das stimmt aber nicht. Ganz im Gegenteil ist es eine äußerst stille, nichtsdestotrotz aber spannende Geschichte, die unterschiedliche Themen und Handlungsstränge kunstvoll mischt. Der erste Teil, in dem Michael sich an seine Kindheit erinnern, an das Unglück seiner Eltern, das er als Kind nur vage wahrnahm, und den Mord/Unfall an dem verhassten Schulkameraden, wirkt wie eine Abrechnung und Rekapitulation längst vergangener Ereignisse.
Dann aber wandelt sich die Geschichte und wird zur Selbstfindungsreise, die stellenweise ein wenig an Nabokovs "Lolita" erinnert: Michael fühlt sich auf verstörende Art und Weise hingezogen zu der Vierzehnjährigen, von der er gleichzeitig glaubt, ihr Vater sein zu können. Die beiden begeben sich auf eine Art Road-Trip durch Schottland, an dessen Ende für Michael Gardiner, der in einer lieblosen Ehe von seiner eigenen Ziellosigkeit und Entscheidungsunfähigkeit gefangen ist, die Katharsis steht. Aber selbst diese kommt äußerst sanft daher, ohne Paukenschlag und reinigendes Gewitter, sondern quasi im Vorbeigehen.
Bemerkenswert ist die Ruhe, mit der die Geschichte erzählt wird. Nicht Michaels Jugendliebe, die sich und ihre Kinder im Auto verbrennt, steht im Mittelpunkt. Und auch der Tod des Jungen, der Michael schikaniert hat, wird zuerst nur sehr beiläufig erwähnt und ist im weiteren Verlauf kaum mit Schuldgefühlen oder anderen aufwühlenden Emotionen behaftet. Gerade dies zeigt eindrucksvoll, dass der Titel gebende Teufel letztendlich in vielen Menschen, die diesen Roman bevölkern, wohnt: in Michael Gardiner selbst, in den Bewohnern von Coldhaven, in Hazel und in ihrem Bruder - ja vielleicht sogar im Leser selbst.
John Burnside benutzt eine äußerst kraftvolle, bildreiche Sprache, die das Dorf Coldhaven mitsamt seinen Bewohnern vor dem inneren Auge des Lesers lebhaft auferstehen lässt und einem bisweilen einen Schauer über den Rücken laufen lässt, so unangenehm und klaustrophobisch ist die Atmosphäre.
"Die Spur des Teufels" ist ein sehr interessantes, tiefgründiges Buch, still und trotzdem fesselnd, wortgewaltig und fast poetisch. In Schottland zählt John Burnside zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart; dieser Roman ist der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde - das wurde wirklich Zeit, denn Burnside ist ohne Zweifel eine lohnenswerte Entdeckung.