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Der Bauernjunge Memed wächst als Halbwaise in der türkischen Distelebene Dikenlidüzü in der Nähe des Taurusgebirges auf. Schon früh erzürnt ihn die brutale Herrschaft des Großgrundbesitzers Abdi Aga, der die Bauern seiner fünf Dörfer ausbeutet und ihnen kaum genug zum Leben lässt.
Eines Tages flieht der Junge in den nächsten Distrikt und findet Arbeit bei einem freundlichen Handwerker und Viehbesitzer. Doch die Sehnsucht nach seiner Mutter zieht Memed zurück. Abdi Aga bestraft den Rückkehrer und dessen Mutter grausam, indem er ihnen so viel von der Ernte abnimmt, dass sie den Winter eigentlich nicht überstehen können. Manche Dorfbewohner helfen jedoch heimlich.
Memed reift in tiefem Hass auf Abdi Aga zum Mann. Er möchte Hace heiraten, ein schönes Mädchen aus seinem Dorf, das er bereits seit Kindertagen liebt. Doch Abdi Aga hat sich entschlossen, Hace seinem Neffen zur Frau zu geben. Hace und Memed sind verzweifelt. Memed hat sich alles vom Aga nehmen lassen, auf Hace aber wird er nicht verzichten. Er entführt das Mädchen, wird jedoch von einem Dorfbewohner verraten. Während Memed entkommt, wird Hace ins Gefängnis geworfen.
Memed bleibt keine andere Wahl, als sich den Räubern im Gebirge anzuschließen und auf eine Gelegenheit zu warten, Rache an Abdi Aga zu nehmen. Rasch wird er zu einer Berühmtheit in den Dörfern, denn es erweist sich, dass er nicht die Mentalität der Räuber annimmt, sondern den Aga ausschalten und den Bauern ihre Rechte wiedergeben will.
Aber er hat auch Hace nicht vergessen. Als sie in ein weit entferntes Gefängnis verlegt werden soll, beschließt er, sie trotz ihrer aufwändigen Bewachung zu retten, allen Verfolgern zum Trotz.
Memed, eine Art türkischer Robin Hood? Ein wenig erinnert die Geschichte durchaus daran, auch wenn die orientalische, vielfarbige Üppigkeit der Erzählung mit dem englischen Pendant wenig gemein hat und Memeds Geschichte eine tiefe Tragik innewohnt.
Meisterlich zeigt der Autor auf, wie ein Junge sich vom unauffälligen Untertanen zum Rebellen wandelt, nachdem er zwei Schlüsselerlebnisse hatte: zuerst den Hungerwinter nach seiner berechtigt erscheinenden Flucht, dann die Zwangsverlobung seiner geliebten Hace mit dem Neffen des Tyrannen. Für Hace ist Memed zu töten bereit.
Memed bleibt auch als Räuber ein aufrechter Charakter: Als sein Räuberhauptmann einen Stammesführer unnötig und maßlos erniedrigt, der Memed und seinem Freund zuvor Gastfreundschaft gewährt hat, stellt sich Memed vor den Bedrohten und hat in der Folge im Räuberhauptmann einen erbitterten Feind mehr.
Zwei zentrale Themen beherrschen das Buch, nämlich der Kampf zwischen Memed und Abdi Aga und die zauberhafte, tragische Liebe zwischen Memed und Hace. Als Grundlage für diese beiden "Leitmotive" dient die maßlose, grausame Unterdrückung der Bauern durch den Großgrundbesitzer.
Der Autor Yasar Kemal setzt sich in seinen Werken stets für die Entrechteten und Armen ein, so auch hier in einem sehr gelungenen, von Anfang bis Ende fesselnden Epos, einer Art Legende, die sehr detailliert, gefühlvoll und faszinierend realistisch erzählt wird.
Dieter Wien liest das Buch ausdrucksstark und packend vor und versteht es, den Hörer "mitzunehmen". So ist die Hörbuchfassung gut gelungen, zumal auch die Austattung attraktiv ist. Die sechs CDs wurden in Tracks von je etwa fünf Minuten unterteilt, sodass man die akustische Lektüre jederzeit problemlos unterbrechen und wieder aufnehmen kann.
"Memed mein Falke" bietet somit ein großartiges Hörerlebnis, sofern der Hörer keine Abneigung gegen den Stil des Autors hat, der ein wenig an große orientalische Märchenerzähler erinnert. Das Buch führt den mitteleuropäischen Hörer in eine ihm fremde, faszinierende Welt, die wahrlich fesselt.