Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Ton | |
Die Hörspielreihe "Gruselkabinett" ist das Aushängeschild von Titania Medien und begeistert eine treue Fangemeinde immer wieder aufs Neue. Schon mehrfach hat sich das Label bekannter und beliebter Literaturvorlagen angenommen, so auch in diesem Fall: Die Folgen 28 und 29 des Gruselkabinetts sind die Umsetzung von Victor Hugos weltberühmtem Roman "Der Glöckner von Notre Dame". Damit folgt das Label seiner Idee, längere Geschichten als Doppelfolge herauszubringen, wie auch bereits bei "Der Fall Charles Dexter Ward" und anderen Folgen. Die beiden CDs mit einer Laufzeit von rund 120 Minuten sind in einem attraktiven Pappschuber untergebracht.
Nun, diese Geschichte ist kein Gruselstoff, mag man jetzt einwenden - und hat Recht damit. Abgesehen davon, dass der Glöckner missgestaltet ist und von den Leuten zu der Zeit, in der die Geschichte spielt, als Monster empfunden wird, gibt es keine gruseligen Szenen. Dennoch bietet sich hier eine erstklassige Umsetzung der berühmten Vorlage als Hörspiel, so dass der Zweiteiler auf jeden Fall empfohlen werden kann.
Die Geschichte mag heute etwas altbacken wirken, verfehlte aber zur damaligen Zeit ihre Wirkung nicht: Der Geistliche Claude Frollo nimmt sich eines missgestalteten Säuglings an, der auf dem Platz vor der Kirche von Notre Dame abgelegt wurde. Da der Tag mit dem Sonntag Quasimodogeniti zusammenfällt, tauft Frollo das Kind, das bei allen anderen nur Abscheu und Entsetzen hervorruft, auf den Namen Quasimodo und bildet ihn zum Glöckner von Notre Dame aus.
Jahre später, an Karneval, unterhält die junge, wunderschöne Zigeunerin La Esmeralda die Menschen auf dem Platz vor Notre Dame mit ihren Tanzkünsten. Gleich mehrere Männer werden von Esmeraldas Schönheit betört und wollen sie besitzen: Pierre Gringoire, ein erfolgloser Dichter, und auch der Erzdiakon Claude Frollo, der zwischen seinem Gelübde und Esmeraldas betörender Schönheit hin- und hergerissen ist.
Frollo will Esmeralda von Quasimodo entführen lassen, doch sie wird von dem jungen Hauptmann Phoebus de Châteaupers gerettet und verliebt sich prompt in ihn. Quasimodo wird daraufhin öffentlich ausgepeitscht und an den Pranger gestellt. Nur Esmeralda erbarmt sich seiner, kommt zu ihm und gibt ihm Wasser. Der Glöckner entbrennt ebenfalls für die junge Schöne - und das Schicksal nimmt seinen Lauf ...
"Der Glöckner von Notre Dame" gilt als Inbegriff der Romantik und beinhaltet viele Züge eines klassischen Dramas, das die Menschen seit seinem Erscheinen im Jahr 1831 fasziniert und das in mehreren Verfilmungen aufwändig umgesetzt wurde, unter anderem mit Anthony Quinn und Gina Lollobrigida in den Hauptrollen. Sogar Disney hat sich der berühmten Vorlage in einem Zeichentrickfilm angenommen, dieser entfernte sich aber aus nahe liegenden Gründen ziemlich weit vom Original.
Die Umsetzung als Hörbuch von Titania Medien ist dank hochklassiger Sprecher und einem guten Script, das es schafft, die komplexe Handlung auf zwei CDs zu bannen, sehr gut gelungen. Sie orientiert sich stark an der klassischen Geschichte.
Für den Hörer ist es bisweilen etwas mühsam - gerade zu Anfang - die vielen männlichen Rollen auseinander zu halten und zu erkennen, welche Absichten Claude Frollo, sein Bruder Jean, der Hauptmann de Châteaupers und der Dichter Gringoire hegen, zumal noch weitere Figuren und damit auch Stimmen auftauchen. Darüber tritt die äußerst tragische Figur des Mitleid erregenden Quasimodo, dem buckligen Glöckner, fast ein wenig in den Hintergrund. Sein Ende ist bekannt und im Verlauf der Geschichte unausweichlich, was es natürlich noch tragischer macht.
Hugo schuf mit seinem Roman ein Abbild der mittelalterlichen Gesellschaft im 15. Jahrhundert, auch wenn seine Geschichte natürlich von vielen Exoten bevölkert ist, unter anderem vom König der Bettler und natürlich von dem missgestalteten Quasimodo. Dieses lebendige Abbild von Paris und seinen Einwohnern wiederzugeben, von seinen Stimmungen und Bräuchen, dem Glauben und Aberglauben, ist Regisseur Marc Gruppe mit diesem Hörspiel vortrefflich gelungen. Natürlich ist die Umsetzung auf zwei CDs im Vergleich zum Roman, der mehrere hundert Seiten umfasst, immer noch sehr stark gerafft, aber gerade bei einer so alten Vorlage hat dies seine unbestrittenen Vorzüge. So fehlen die seitenlangen und teils ermüdend detaillierten Beschreibungen, die Victor Hugo verwendet und die heute nicht mehr zeitgemäß wären. Es wurde also ein guter Mittelweg gefunden zwischen den notwendigen Kürzungen und der Nähe zum Original.
"Der Glöckner von Notre Dame" ist in dieser atmosphärischen Hörbuchfassung eine gelungene, "erwachsene" Umsetzung des Romans aus dem 15. Jahrhundert, die alle ansprechen dürfte, die zum ersten Mal Bekanntschaft mit Victor Hugos Werk machen und die eine hochklassige Umsetzung mit qualitativ sehr guten Sprechern und Soundeffekten zu schätzen wissen. Wer allerdings Grusel oder gar Horror erwartet, könnte hier enttäuscht werden - die Thematik fügt sich nicht so ganz in die Reihe "Gruselkabinett".