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Jetzt streift er durch das nächtliche Frankfurt, dieser Typ, der gerade aus einer Disco rausgeschmissen wurde. Betrunken ist er schon, da kann er auch in der nächstbesten Kneipe weiterbechern. Er lässt sich von seinen Stimmungen leiten und die schwappen gelegentlich in die eine oder andere Richtung über, mal gut drauf, mal aggressiv, meistens dümpeln sie aber in neutraler Gleichgültigkeit vor sich hin. Er kann freundlich sein, sich gewählt ausdrücken, sogar ein Rilke-Gedicht zitieren, aber genauso weiß er zu provozieren. Der Typ, der Fabian heißt, will sehr gerne etwas fühlen, sei es Lust, Schmerz oder Geborgenheit. Er ist aber schon zu lange zu weit von alledem entfernt in seinem tristen heruntergekommenen Leben, um es wirklich genießen zu können. Der Sex mit der Wirtin der Kneipe, der Zusammenprall mit einem Rettungswagen, das gekonnt sanfte Eingipsen seines Armes durch Krankenhausschwester Svenja, all das berührt ihn nicht mehr so wirklich, es findet mit einem Körper statt, der ihm zum Gefängnis geworden ist.
Auf seinem weiteren Weg durch die Nacht begegnet er allerlei merkwürdigen Geschöpfen, unter anderem Horst. Horst ist ein Mann, der sich wie eine Frau schminkt und kleidet. Er bietet Fabian an, ihn zu adoptieren. Wäre das die Chance auf die ersehnte Geborgenheit? Oder soll er sich doch lieber der Krankenschwester öffnen, die ihm sehr einfühlsam begegnet ist? Oder wäre es für ihn doch am besten, er würde die Nacht nicht überleben?
Bei manchen Szenen in "Der Typ" fragt man sich unweigerlich, ob das, was man gerade sieht, der Hauptfigur wirklich passiert oder ob er das nur träumt oder sich wünscht. Der Eindruck entsteht durch die Skurrilität der Begegnungen, die die Geschichte prägen. Diese scheinbare Unwirklichkeit des Geschehens spiegelt deutlich die Lebenssituation der Hauptfigur wider, die von Stipe Erceg sehr eindringlich gespielt wird. Dem Zuschauer wird ein heruntergekommener Mensch mit einem abgestumpften Sinn für Gefühl präsentiert. Wie Fabian zu diesem Leben kommt, bleibt offen, ebenso, wie es weitergeht. Man erlebt das Hier und Jetzt dieser Figur, für die es nur genau das gibt: die Vergangenheit unter Verschluss, die Zukunft ungewiss, dazwischen eine Gegenwart, aus der er gerne ausbrechen will, könnte er sich dazu nur mal aufraffen und sich anderen Menschen öffnen. Auf diesen Umgang mit der Unfähigkeit, das eigene Leben zu spüren, legt der Film sein ganzes Gewicht. Die Handlung ist dabei zweitrangig, teilweise wirklich absurd und nur darauf ausgelegt, die Trostlosigkeit dieser Figur zu verstärken. Dabei kommt der Zuschauer Fabian sehr nahe, meint fast, für ihn mitfühlen zu müssen, dringt aber ebenfalls nicht bis auf den Grund dieses Charakters, der schwer bis gar nicht zu begreifen ist.
Auch Kamera und Musik lassen sich vollständig auf den tristen Charakter ein. Statt Hochglanzbildern hat der Zuschauer eine leicht grobkörnige Optik, die eine oder andere Unschärfe und Verwackelung vor sich, aber das passt einfach zu dem Typen. Die Musik ist unauffällig, atmosphärisch und melodienarm.
Der Film ist gerade einmal fünfzig Minuten lang, denn es handelt sich um die Diplomarbeit des Regisseurs Patrick Tauss. Ihn kann man zusammen mit Hauptdarsteller Erceg, mit dem er später auch in "Kahlschlag" zusammengearbeitet hat, und Kameramann Lars Liebhold in einem Interview erleben, das länger ist als der gesamte Film. Er offenbart viele Hintergrundinformationen, ist aber streckenweise etwas langatmig - da hätte man einiges rausschneiden können, ohne den Informationsgehalt einzuschränken. Darüber hinaus sind die drei auch in einem Audio-Kommentar zum Film zu hören, allerdings begnügen sie sich hier mit gelegentlichen Infos, kleinen Witzen und Plaudereien. Spannend ist das nicht, wirklich unterhaltsam auch nicht. Weiterhin kann man eine Bilderserie mit dem Titel "Making of Horst" betrachten, in der aus Schauspieler Wolfgang Packhäuser nach und nach der Transvestit Horst entsteht.
"Der Typ" ist ein gelungenes Erstlingswerk, das schon so manchen Preis abgeräumt und auch den Weg in den englischsprachigen Raum gefunden hat. Allerdings ist er sicher nicht jedermanns Sache und keine leichte Kost, denn die triste Stimmung kann sich durchaus auf den Zuschauer übertragen. Ein interessantes Charakterportrait, dessen Interpretation nicht klar bestimmbar ist, sondern Überlegungen in viele Richtungen ermöglicht. Und es ist ein Portrait nicht nur der Hauptfigur, sondern auch der Stadt Frankfurt, die mehr zu bieten hat als das Börsenviertel, das man sonst immer nur im Fernseher sieht.