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 Der Grüne Zweig: Shivitti

Eine Vision


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Nummer 135633! Hinter dieser Nummer verbirgt sich jedoch kein Artikel, kein Gegenstand. Nein, ein Mensch. Und zwar der hochbegabte isrealische Autor Yehiel De-Nur, hauptsächlich bekannt als Ka-Tzetnik 135633. Doch warum gibt sich ein Autor eine Nummer als Namen? Es ist sein Name gewesen, zwei Jahre lang. Zwei grausame Jahre im Lager Auschwitz. Er hat überlebt, aber dreißig Jahre lang wird er von dem verfolgt, was er mitansehen hat müssen. Er kann nachts nicht schlafen, tagsüber nicht wachsein. 1976 entschließt er sich zu einer LSD-Therapie unter dem holländischen Psychiater Professoer Bastiaans, der in seiner Klinik Überlebenden des Holocausts unter der Aufsicht LSD verabreicht, um sie an die Erinnerungen herankommen zu lassen, die sie anders nicht zulassen können.

Elie Wiesel beschreibt das Buch mit ihrem Kommentar wohl am Besten: "Ein außerordentliches Buch, das von einem außergewöhnlichem Menschen geschrieben wurde. Seit langem habe ich nicht solche Stimme gehört: Die Stimme einer verwundeten Seele, deren Schrei ein Gebet ist."
Das Vorwort der Neuauflage wurde von dem Psychiater Claudio Naranjo geschrieben. Folgende zwei Sätze sind aus diesen Zeilen. Hier begegnen wir einer ungewöhnlichen Ausnahme: dem Autor De-Nur gelingt es, im Rückblick ein wahrer Zeuge zu sein, da er ein außergewöhnlicher Zeuge eines Lebens am Abgrund war, während all dies geschah. Gerade diesem Umstand hat er wohl sein Überleben zu verdanken, oder, um es noch präziser zu formulieren, hierdurch gelang es ihm, die Erinnerung auf die Anwesenheit Gottes, das Shivitti, durch all die Jahre der Gefangenheit immer vor Augen zu behalten.

Das Softcover-Buch Shivitti, verlegt durch Werner Pieper & The Grüne Kraft, kann man glatt als eine Art Protokoll sehen. Ein Protokoll über die Erfahrung mit der Therapie durch LSD, die verschiedenen Stationen, hier als Tore bezeichnet. Doch lässt es den Leser erfahren, was genau Auschwitz für einen Gefangenen bedeutete und noch bedeutet. Es lässt nicht los und existiert noch heute in den Köpfen der Überlebenden. Und diese Art der Existenz bringt Ka-Tzetnik 135633 dem Leser sehr nahe. Jedes Tor ist ein Schritt weiter. Unter jedem Kapitel steht ein Vers aus der Bibel, passend, fast als wolle dieser darauf vorbereiten, was kommt.
Doch was es vielleicht noch spannender macht ist die Ich-Form. Ka-Tzetnik schreibt nicht aus der Sicht einer dritten Person, wie er es in anderen Büchern gemacht hat. Nein, er schreibt es wirklich aus der eigenen Sicht. Er, der es gesehen hat, er, der es zu berichten weiß.
Ein Bericht, der wohl nicht tiefer gehen könnte. Ein Bericht, der wohl nicht zeitgenössischer sein könnte.

Shivitti zieht einen mit, lässt nicht los, bis man am Ende ist. Der Autor schönt nichts, schönt noch nicht mal, wie seine eigene Lebensgefährtin unter seinen Alpträumen leidet, darunter leidet, wie er beginnt zu erzählen in seiner Therapie. Er legt uns seine Seele offen dar, verletzt und zerrüttet, voller Narben. Es zeigt die Angst, die Ka-Tzetnik 135633 hatte. Angst vor der Therapie, Angst vor dem, was er zu Tage fördern könnte. Und doch hat er es getan, er ging ein zweites Mal durch die Hölle, diesmal jedoch hielt ihm Professor Bastiaans die Hand. Gerade aus diesem Grunde ist es wohl so bemerkenswert, denn er fügte nichts hinzu, ließ nichts weg. All die Aufnahmen, die Gespräche, die während den Sitzungen gemacht wurde, die damit zu tun hatten, hat er festgehalten und an den Leser weiter gegeben.

Fazit: Man erlebt die zwei Jahre Auschwitz mit, man kann verstehen, warum er noch dreißig Jahre danach mit den Folgen zu kämpfen hat. Ich bewundere den Autor für seine Wiedergabe, für sein Geschenk an den Leser. Das Buch ist aus vielen Aspekten sehr interessant. Zum einen hat man eine sehr zeitgenössische Wiedergabe dessen, was in Auschwitz mit dem Häftling 135633 geschah, was er durchlebt hat während der zwei Jahre.
Zum anderen wird auch eine Art der Therapie näher gebracht, von der ich persönlich noch nie so gehört habe. Eine Droge als Hilfsmittel zu verarbeiten, neu zu erleben um am Ende gerettet zu werden.

Cordula Fiedler



Taschenbuch | Erschienen: 01. Januar 2005 | ISBN: 3922708501 | Preis: 10.00 Euro | 128 Seiten

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