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Unentdeckte Paläste, verborgene Schätze und unerklärliche Ereignisse - welchem Rollenspieler und/oder Spielleiter geht bei diesen Worten nicht das Herz auf vor freudiger Erwartung. Auch in dem stimmungsmäßig eher von Wahnsinn und Verzweiflung geprägten "Cthulhu" gelten Expeditionsabenteuer als Salz in der Suppe. Nun hat Pegasus Spiele den mit Spannung erwarteten Quellenband Terra Cthulhiana veröffentlicht, der zahlreiche reale und fiktive mythischen Stätten rund um den Globus beschreibt.
Zuerst ein paar Worte zu dem Band an sich: Ein dicker Wälzer ist es geworden, der mit seinen 372 Seiten im direkten Vergleich gerade einmal von dem Spielleiter-Band (400 Seiten) geschlagen wird. Wie die meisten Quellenbände ist er als Hardcover erhältlich, auch wenn dieses Mal bedauerlicherweise kein Lesebändchen vorhanden ist. So muss sich der Spielleiter wohl mit anderen Lesezeichen behelfen. Das Titelbild ist ebenfalls im typischen Pegasus-Stil als eine Collage aus Tentakeln, mystischen Zeichen und einer Weltkugel im Hintergrund gehalten. Der Preis dieses Bandes ist mit fast 40 Euro ordentlich, im Hinblick auf die reine Dicke des Wälzers jedoch verständlich. Doch kann auch der Inhalt überzeugen?
Ein Blick aufs Inhaltsverzeichnis zeigt eine klare Gliederung. Die einzelnen Stationen rund über den Erdball sind nicht alphabetisch, sondern nach Kontinenten sortiert. Begonnen wird mit Nordamerika, von wo aus man sich über Mittel- und Südamerika, Europa, Kleinasien, Afrika, Asien, Australien, die Antarktis sowie die Arktis vorarbeitet. Den Ozeanen ist ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem sich erwartungsgemäß auch ein Abschnitt über das versunkene Rlyeh findet. Das abschließende Kapitel heißt "Auf uralten Spuren" und enthält einige Sonderthemen, die sich nicht eindeutig einem Kontinent zuweisen lassen, wie die Suche nach dem Heiligen Gral oder die so genannte Hohlwelt-Theorie.
Nun zu den Texten an sich: Die einzelnen Orte sind sehr detailliert beschrieben und enthalten in der Regel einen informativen Geschichtsabriss. Wie üblich wird der Fließtext durch einzelne hervorgehobene Textkästen und alte Fotografien aufgelockert und ergänzt. Ebenso finden sich in den einzelnen Absätzen zahlreiche Anregungen zu cthuloiden Abenteuern, manchmal mehr, manchmal weniger direkt formuliert.
Es wurde darauf geachtet, ein gutes Gleichgewicht zwischen realen und fiktiven Orten zu finden, wobei die realen Orte überwiegen. An besonderen Mythosstätten sind unter anderem das Plateau von Leng, Lomar und Rlyeh enthalten. Über die Notwendigkeit eines Abschnitts über Innsmouth kann man sich streiten, da Pegasus Spiele im nächsten Jahr mit der Veröffentlichung der "Lovecraft Country"-Städte-Bände beginnen will. Langjährige Leser der "Cthuloiden Welten" werden zudem feststellen, dass der Abschnitt über Kreta und Santorin Material aus dem in der CW5 erschienenen Abenteuer "Das Geheimnis von Knossos" enthält und ausbaut. Leider fehlt hier ein Verweis auf das Abenteuer.
Karten und Risszeichnungen befinden sich immer direkt bei den Artikeln abgedruckt. Natürlich wären Handouts in einer Kartenlasche praktischer, sind jedoch alleine aufgrund ihrer Menge in diesem Band nicht realistisch.
Auf ihrer Homepage bieten Pegasus Spiele übrigens die beschriftete Weltkarte mit Seitenzahlverweisen der jeweiligen Orte als PDF zum Download an, die sich eigentlich auf den Vorsatzblättern von Terra Cthulhiana befinden soll. Aufgrund eines drucktechnischen Versehens wurde aber die Karte ohne Seitenzahlverweise zweimal abgedruckt. Da in dem vorliegenden Rezensionsexemplar beide Karten vorhanden sind, kann man davon ausgehen, dass der Druckfehler nur einen Teil der Auflage betrifft - nichtsdestotrotz ein guter Service von Pegasus-Spiele.
Das Thema "Expeditionen ins Unbekannte" ist nicht neu im Lovecraftschen Universum; weder literarisch noch im Rollenspielbereich wird hier - man verzeihe dem Rezensenten das Wortspiel - Neuland beschritten. Doch wo der ebenso geniale Band "Expeditionen - Ins Herz der Finsternis" aufhört, geht "Terra Cthulhiana" weiter. Damit wäre gleichzeitig die Frage beantwortet, für wen der Band geeignet ist: Für Cthulhu-Spielleiter, die ihre Gruppen gerne einmal aus Neu England oder Deutschland in die Wildnis schicken, sowie für alle, die Expeditionen bereits durchgespielt haben und denen es nach mehr gelüstet, ist Terra Cthulhiana ein Muss. Der Band bietet Material und Inspiration für unzählige Reisen durch die entlegendsten Ecken unserer Welt. Dabei ist es völlig gleichgültig, in welcher Epoche man spielt. Warum sollte Tunguska nicht bereits vor dem gleichnamigen Ereignis ein Hort cthulhoiden Schreckens sein? Ist in unserer Zeit nicht ein Erheben Rlyehs umso wahrscheinlicher? Wem ob solcher Sätze das Wasser im Mund zusammenläuft, kann bedenkenlos zugreifen. Lediglich Gelegenheitsspieler von Cthulhu sollten sich genau überlegen, ob sie einen Welt-Quellenband für 40 Euro benötigen. Jedoch sei auch hier gesagt, dass man die enthaltenen Texte und Anregungen sicher auch für andere Rollenspiele umsetzen kann.