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Die junge Näherin Pavlina wächst um die Mitte des 20. Jahrhunderts in Geborgenheit und Liebe auf der griechischen Insel Spetses auf. Ihr Vater, ihre Mutter und sie teilen sich ein Haus mit dem Bruder ihres Vaters, dessen Frau und Pavlinas Cousin Aris.
So lange sie sich erinnern kann, ist Pavlina in den gut aussehenden, athletischen Aris verliebt gewesen. Einer Liebe zwischen Cousin und Cousine steht in den 1950er-Jahren auf den griechischen Inseln nichts im Wege. Trotzdem muss Pavlina erfahren, dass Aris sie nicht erhören wird: Er liebt Männer. Pavlina verzweifelt daran und klammert sich umso fester an ihre Liebe zu Aris. Mit Entsetzen beobachtet sie, wie er von seinem Liebhaber ausgenutzt und anschließend fallen gelassen wird. Als dann einer von Aris Jugendfreunden dessen Homosexualität herausfindet und Aris im beliebtesten Lokal der Insel deshalb öffentlich verspottet, sind sowohl Aris selbst als auch Pavlina zutiefst gedemütigt und verlassen das Lokal. Es kommt, eigentlich ganz gegen Aris Willen, auf Pavlinas hartnäckige Initiative hin zum Sex zwischen den beiden - der einzigen Möglichkeit, die Pavlina sieht, um ihren Geliebten zu trösten.
Als Aris sie danach heimschickt, kann sie nicht wissen, dass sie ihn nie wieder sehen wird.
Aus der Begegnung zwischen Aris und Pavlina resultiert eine Schwangerschaft. Die Aussicht auf das Kind ist Pavlinas einziger Trost, doch wohlmeinende Menschen in ihrem Umfeld, allen voran ihre Mutter, überreden sie, das Kind zur Adoption freizugeben, und schicken sie für die Dauer ihrer Schwangerschaft und Entbindung nach Athen. Pavlina plant, mit dem Baby aus dem Krankenhaus zu fliehen, doch dies wird geschickt unterbunden. Von da an richtet Pavlina ihr ganzes Leben darauf aus, ihr Kind zu finden, von dem sie nur weiß, dass es ein Mädchen ist. Sehr spät wird sie erfahren, dass ihre Mutter und deren Beichtvater nicht nur die Aussicht auf die Schande einer unehelichen Geburt im Auge hatten, als sie Pavlina nötigten, ihr Kind aufzugeben, sondern noch eine ganz andere, verstörende Tatsache.
Als Pavlina neunzehnjährig vor den Trümmern ihres Lebens steht, kann der Leser, der ihre Jugend mitverfolgt hat, sie nur bemitleiden - und dabei wird es bleiben, denn erst gegen Ende des Buchs zeichnet sich ein vager Lichtstreif am Horizont ab.
Die Geschichte wird psychologisch einfühlsam erzählt; der Autor als Mann findet sich erstaunlich gut in die Höhen und Tiefen der weiblichen Seele ein, auch bezüglich besonderer Lebenserfahrungen wie Schwangerschaft und hoffnungslose Liebe.
Ebenfalls bemerkenswert gut arbeitet er den "Fluch" heraus, der auf Pavlinas Familie zu lasten scheint, beginnend mit der nur scheinbar harmonischen Bruderbeziehung zwischen Pavlinas und Aris Vater über Aris Homosexualität und Pavlinas Fixiertheit auf Aris und später das Kind, das sie nicht behalten darf.
An keiner Stelle wirken diese dramatischen Entwicklungen und Tatsachen übertrieben oder an den Haaren herbeigezogen; die Geschichte hat etwas Authentisches, und Melancholie und Hoffnungslosigkeit umgeben sie wie ein düsteres Leitmotiv. Dennoch findet sich auch etwas von den hellen, klaren Farben des Mittelmeeres. Der geschickt einbezogene Lokalkolorit erzeugt einen guten Teil des Charmes, den der Roman trotz des ernsten Themas enthält.
Klar und lebensecht gezeichnete Charaktere vermitteln Glaubwürdigkeit. Der Stil ist eher schlicht, die Sprache sinnlich und anrührend.
Es fällt nicht leicht, den Roman aus der Hand zu legen und eine Lektürepause zu machen. Metin Arditi ist ein schönes Stück Literatur mit großer Tiefe gelungen.