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 Das Äquinoktium der Wahnsinnigen

und andere Erzählungen

Autoren: Anatol E. Baconsky
Herausgeber: Frank Rainer Scheck
Übersetzer: Max Demeter Peyfuss
Verlag: BLITZ

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


In Zeiten trivialliterarischer Hochkonjunktur, in welchen Horden von Tolkien-Klonen die Regale der Buchhandlungen beherrschen und die Verlagshäuser mit Vorliebe auf große Namen wie Hohlbein, King und Koontz setzen, haben es nicht nur Autoren phantastischer Literatur schwer, die sich in der Szene einen Namen gemacht haben, denen aber der Einstieg in einen der großen Publikumsverlage verwehrt bleibt. Auch stranden immer wieder Meisterwerke der literarischen Phantastik an den Gestaden des Vergessens, obwohl vielen von ihnen ein solches Schicksal nicht widerfahren dürfte, denn dafür sind sie einfach zu gut. Der BLITZ-Verlag hat sich der Wiederentdeckung vergessener Großwerke der unheimlichen Phantastik gewidmet und präsentiert pünktlich zum Jahresbeginn, wenn sich die Nächte hinziehen und eine gedrückte Stimmung verbreiten, mit "Das Äquinoktium der Wahnsinnigen" eine vorzügliche Sammlung finsterster Geschichten.

Die hier versammelten zehn Erzählungen, die aus der Feder des zu Unrecht vergessenen rumänischen Schriftstellers Anatol E. Baconsky stammen, stehen unter einem geradezu kafkaesken Stern, welchen der Herausgeber Frank Rainer Scheck treffend beschreibt: "Niemand entgeht zuletzt seinem Verhängnis." Angesiedelt in fiktiven Dörfern und Gestaden entlang der rumänischen Schwarzmeerküste lässt Baconsky seine namenlosen Protagonisten, stets im Gewand des Ich-Erzählers agierend, um ihr Heil ringen, nur um sie letzten Endes doch scheitern zu lassen. Hilfe oder Beistand haben sie keine zu erwarten, sie sind Außenseiter in einer bedrückenden Welt, die von Menschen mit seltsamem Benehmen bevölkert ist. Hierbei greift der Autor keineswegs auf ein Figureninventar von Dämonen und Nachtmahren zurück, es ist die pure Agonie, welche seine Landstriche und die darin lebenden Menschen erfasst und jegliche Vitalität aus ihnen herauspresst.

Während in "Der Fluch des Steinmetzes" der Protagonist der nicht greifbaren dunklen Macht trotzt und doch fallen muss, sehnt er sich in "Die Leute von der Insel" danach, das Geheimnis einer vor der Küste gelegenen unwirtlichen Insel zu lüften, doch als er dort ankommt und nicht mehr zurückkehren kann, nehmen Verzweiflung und die Sehnsucht nach seinem alten tristen Leben überhand. Manch einer hat sogar an Erschütterungen seiner Existenz zu leiden: In "Die Eule" etwa erscheint jede Nacht vor dem Haus des Erzählers ein Unbekannter, der ihm nicht geheuer scheint; als der Mann aber nicht mehr auftaucht, begibt sich der Protagonist auf eine düstere Odyssee durch die Stadt, um den Unbekannten zu finden, doch was er herausfindet, stülpt sein gesamtes Dasein um …

Baconskys Protagonisten sind keine Helden, aber auch keine Antihelden. Sie unterscheiden sich kaum vom Rest der nur vereinzelt anzutreffenden Menschen, welche sich träge und Widergängern gleich durch die düstere Welt bewegen, die der Autor in zehn Geschichten entwirft. Ständige Paranoia ob finsterer Mächte treiben die Erzähler voran, erst die Assimilation zum Rest der Gesellschaft füllt die Lücken ihrer Identität. So etwa in "Der verschleierte Orpheus", wo der Protagonist Schlimmes hinter den Mauern eines von Elend gezeichneten Bordells erahnt. Seine Versuche, einer entflohenen Prostituierten zu helfen, scheitern kläglich an seiner Umwelt, doch als er erstmals das Freudenhaus betritt, öffnen sich ihm die Menschen, die er bis dato mit Abscheu verfolgt hat …

Was seine Geschichten so lesenswert macht, ist Baconskys poetische Sprachgewalt, mit welcher er das unabänderliche Schicksal seiner namenlosen Protagonisten und deren unheilvolle Welt an den Leser heranträgt. Man verliert sich regelrecht in Beschreibungen des Elends, der Verdammnis, des Fluches, den der Erzähler mit sich trägt - Beschreibungen, die regelrecht vor dem schwärenden Pathos der Schwermut und der Hoffnungslosigkeit triefen. Mehrere Seiten einer Geschichte nimmt sich der Autor, um den Leser wortgewaltig zu sensibilisieren für das triste Zwielicht, in dem seine Figuren agieren. Kein Rückgriff auf cthuloide Kreaturen oder unbeschreibliche Mächte, keine Bedienung am Buffet der trivialen Horrorliteratur - Baconsky spricht nicht ein einziges Mal vom konkreten Auftauchen dämonischer Wesen, doch seine reiche wie düstere Bildersprache entwirft ein Universum, welches geografisch fixierbar und dennoch fremder ist als jede lovecrafteske Traumwelt. Baconskys exorbitante Schilderungen und seine ausgeprägte Liebe zu Metaphern spielen nicht selten mit der Geduld des Lesers, er ergeht sich stets in ausschweifenden Beschreibungen des Unausweichlichen, doch aufhören und das Buch zuklappen kann man einfach nicht.

Was der BLITZ-Verlag hier ausgegraben hat, trägt nicht umsonst das Prädikat Meisterwerke der dunklen Phantastik. Anatol E. Baconskys Sammlung "Das Äquinoktium der Wahnsinnigen", wunderbar von Max Demeter Peyfuss ins Deutsche übertragen, fesselt den Leser mit sprachgewaltigen, ja poetischen Bildern von den Irrfahrten einer Handvoll Menschen, die der erdrückenden Last des Unausweichlichen entkommen wollen und sich schlussendlich doch ihrem Schicksal ergeben müssen. Vorzüglich abgerundet wird dieses Juwel aus den sechziger Jahren mit einem hervorragenden Nachwort von Herausgeber Frank Rainer Scheck, welches knappe biografische Informationen sowie eine Analyse zu Baconskys Stil und Metaphern serviert.

Michael Höfel



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2009 | ISBN: 9783898402774 | Originaltitel: Echinoxul nebunilor si,alte provestiri | Preis: 15,95 Euro | 208 Seiten | Sprache: Deutsch

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