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"Jeder Mensch will glücklich werden", schrieb Jean-Jacques Rousseau, "um das Ziel aber zu erreichen, müsste er zunächst wissen, was das Glück eigentlich sei." Was also ist Glück und wenn man es weiß, wie kann man es dann erreichen? Um diese Fragen zu ergründen, zieht der buddhistische Mönch Matthieu Ricard nicht nur buddhistische Lehren heran, sondern begibt sich zugleich auf eine Suche durch die Welt der westlichen Wissenschaften: Philosophie, Psychologie, Soziologie und die relativ jungen Neurowissenschaften werden befragt. Für Ricard ist Glück "das tief empfundene Gefühl eines auf innerem Reichtum, ja Überfluss beruhenden Wohlbefindens, das einem besonders gesundem Geist entspringt." Glück, so Ricard, beinhalte, die Welt auf eine bestimmte Art und Weise zu sehen. Diese Sicht ist eine Fertigkeit, eine Geisteshaltung, die sich erlernen und üben lässt. Ist also dauerhaftes Glück möglich? Ja, denn dauerhaftes Glück ist nicht von äußeren Zuständen abhängig.
"Das große Hindernis ist immer die Erscheinung und nie die Wirklichkeit." Dieses Zitat von Etty Hillesum fasst eines der Grundprinzipien der buddhistischen Sichtweise zusammen. Die Unwissenheit über die Beschaffenheit der Welt, das heißt über die wechselseitige Abhängigkeit aller weltlichen Phänomene und damit über die Prinzipien von Ursache und Wirkung, steht dem Glück im Wege. Wenn der Mensch sich von geistiger Blindheit und damit einhergehenden negativen Emotionen befreien kann, stellt sich ein Zustand dauerhaften Wohlbefindens ein, der mit dem Sanskrit-Wort
sukha bezeichnet wird. Die westlichen Wissenschaften scheinen die buddhistische Sichtweise zu bestätigen. Empirischen Untersuchungen zufolge haben äußere Umstände wie Wohlstand, Gesundheit und Schönheit nur einen geringen Anteil an dem Gefühl des Wohlbefindens und Glücks. So kommt auch der Positive Psychologe Ed Diener zu dem Schluss, dass die Art und Weise, wie ein Mensch die Welt wahrnehme, viel wichtiger zu sein scheine als die objektiven äußeren Umstände.
In seinem Buch, das den ebenso einfachen wie komplexen Titel "Glück" trägt, beschreibt der Autor und Mönch Ricard, wo wir in unserer Betrachtung der Welt Irrtümern aufsitzen und wie uns diese daran hindern, dauerhaft glücklich zu sein. Ricard macht deutlich, dass das Glück, das er gesucht und gefunden hat, kein hedonistisches, kurzzeitiges Glücksgefühl ist, sondern ein innerer Zustand, der hilft äußeren Widrigkeiten mit Gelassenheit und allen Lebewesen mit Mitgefühl und Liebe zu begegnen. Matthieu Ricard selbst ist Franzose, der im Zellgenetik-Labor des Nobelpreisträgers François Jakob promoviert und eine verheißungsvolle wissenschaftliche Karriere gegen ein Leben in Darjeeling eingetauscht hat, um am Fuße des Himalaya bei einem großen tibetischen Meister zu lernen. Nach einigen Jahren der Ruhe hat sich Ricard mit dem Buch "Der Mönch und der Philosoph", in dem er ein Gespräch mit seinem Vater, einem französischen Philosophen, führt, der westlichen Öffentlichkeit zugewandt und später schließlich auch wieder der Wissenschaft und Forschung. So ist er beispielsweise Mitglied des "Mind and Life"-Instituts, das die Zusammenarbeit zwischen buddhistischen und westlichen Wissenschaften fördern will. Ricards große Stärke ist also, dass er sowohl die buddhistische als auch die westliche Perspektive kennt. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass das Buch hin und wieder an einen Ratgeber erinnert. In Anbetracht dessen kann man sich natürlich fragen: Brauchen wir einen weiteren Ratgeber, der uns ein weiteres Mal den Weg zum Glück weisen will? Nun, ob wir ihn brauchen oder nicht, lesens- und lohnenswert ist Ricards Abhandlung über das Glück allemal - für einige trotz, für andere wegen des Ratgeber-Charakters. Das Buch baut auf buddhistischen Erkenntnissen auf, ist aber im engeren Sinne kein buddhistisches Buch oder lediglich für Buddhismusinteressierte interessant. Ganz im Gegenteil: Die Buddhisten erforschen nicht nur seit 2500 Jahren den Geist, sondern haben zudem Methoden für diese Erforschung entwickelt. Man sollte sich anhören, was sie zu sagen haben. Für alle, die die buddhistische Sicht überzeugt (hat), bietet Ricard hin und wieder kleinere Übungen an, die den Leser in der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema unterstützen sollen und dafür Meditationsmethoden vorstellen. Eine Einführung in die Meditation ist dies jedoch nicht und vom Autor auch nicht so gedacht.
Eine Sichtweise auf das Glück, die vom Buddhismus inspiriert ist, aber auch westliche Wissenschaften zu Wort kommen lässt und ein Buch, das zeigt, dass sich Buddhismus und westliche Wissenschaften keinesfalls widersprechen müssen. Ein Buch für Leser, die über das Glück nachdenken möchten, darüber was es ausmacht und wie man es erreichen kann, und vor allem auch ein Buch für all jene, die dauerhaftes Wohlbefinden und Glück tatsächlich anstreben. In einem Satz: Abhandlung und Ratgeber in einem.