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 Sunset


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Nach "Im Kabinett des Todes", erschienen im Jahr 2002, erfreut der Heyne Verlag Fans von Stephen King nun mit einer neuen Sammlung von Kurzgeschichten, diesmal unter dem Titel "Sunset". Das Buch enthält dreizehn kurze und auch etwas längere Geschichten, von denen ein Großteil bereits in US-amerikanischen Magazinen und Zeitschriften erschienen ist.

Den Auftakt bildet "Willa", eine Erzählung über eine Gruppe von Reisenden, deren Zug entgleist ist und die sich nun an einem Bahnhof in einer durchaus seltsamen Situation wiederfinden. Diese Geschichte ist vielleicht nicht der beste Auftakt für diese Sammlung, kommt sie doch sehr langsam in Fahrt und dürfte auch nicht jedermanns Geschmack sein.
Danach geht es aber King-typisch zur Sache mit "Das Pfefferkuchenmädchen". Hier läuft eine junge Frau vor ihren Problemen davon, im wahrsten Sinne des Wortes. Dann gerät sie in die Fänge eines brutalen Serienkillers - und setzt alles daran, nicht sein nächstes Opfer zu werden. Diese Geschichte ist wirklich atemberaubend spannend, fast unerträglich - ein brutaler, packender Pageturner im atemlosen Stile Kings.

"Harveys Traum" ist eine kurze, aber ausdrucksstarke Erzählung über einen Traum, der albtraumhafte Gefühle beim Leser weckt und sich bald als allzu wahr herausstellt. Eine klassische Erzählung, die beim Lesen nach und nach ein diffuses Gefühl von Unbehagen und schließlich von Grauen hervorruft.
In "Der Rastplatz" ist ein Mann hin- und hergerissen zwischen seinem eher zurückhaltenden Ich und seinem Alter Ego, nämlich dem Pseudonym, unter dem er als Autor spannende Romane schreibt. Als der Erzähler auf einem Rastplatz Zeuge eines ehelichen Streits wird, kommt ihm sein entschlossenes Autoren-Ich unverhofft zu Hilfe.
"Der Hometrainer" gehört zu den stärksten und ungewöhnlichsten Ideen in diesem Buch. Nachdem ein Mann von seinem Arzt wegen seines nicht unbeträchtlichen Übergewichts gemahnt wird, legt er sich einen Hometrainer zu. Die Stunden, die der Mann auf dem Gerät verbringt, geraten immer mehr außer Kontrolle. Bald schon findet er sich in einem tranceähnlichen Zustand wieder - und landet in einer anderen Welt. Clever und interessant ist dies erzählt; vor allem wirkt es erfrischend, dass diese Geschichte auf eine Katastrophe zuzusteuern scheint, wie man es von King ja auch ein bisschen erwartet, sie aber dann doch versöhnlich endet.

"Hinterlassenschaften" ist Stephen Kings Auseinandersetzung mit den Ereignissen des 11. September 2001. Ein Büroangestellter findet plötzlich immer wieder Gegenstände von Menschen, die bei den Anschlägen auf das World Trade Center ums Leben kamen.
In "Abschlusstag" schafft der Autor ein beklemmendes Was-wäre-wenn-Szenario. Ein Mädchen, dessen Freund seinen letzten Tag an der High School hat, beobachtet von einem sicheren Ort aus eine furchtbare Katastrophe. Diese Geschichte zündet im Endeffekt nicht so richtig, sie wirkt gegenüber anderen in diesem Erzählband etwas schwach auf der Brust. Sie ist zwar nicht belanglos, aber auch nicht außergewöhnlich.
"N." hingegen ist eine großartige Erzählung, die bereits als Comic umgesetzt wurde. In ihr erzählt ein Psychiater von einem ungewöhnlichen Patienten mit Zwangsstörungen, der ihn um Hilfe bat - eben jener nicht näher bezeichnete "N.". N. ist sich sicher, dass er durch seine Zwangshandlungen verhindern kann, dass das Böse in die Welt kommt. Sein Bericht zieht den Psychiater in einen Strudel hinein, aus dem es für ihn - und für andere - kein Entrinnen gibt. Faszinierend, böse und eine deutliche Hommage an H. P. Lovecraft - sicher eine der besten Geschichten in diesem Buch.
"Die Höllenkatze" wurde bereits vor über dreißig Jahren in einem Magazin veröffentlicht, es ist damit die älteste Story in diesem Buch. Ein Berufskiller erhält den Auftrag, eine Katze zu töten. Doch das gestaltet sich weitaus schwieriger, als der Mann zunächst denkt. Diese Geschichte ist mitreißend, etwas geschmacklos, etwas verrückt - eine gute, sehr unterhaltsame kleine Erzählung für zwischendurch.
In "Die New York Times zum Vorzugspreis" erhält eine Frau ausgerechnet am Tag der Beerdigung ihres Mannes einen seltsamen Anruf - von ihrem gerade erst verstorbenen Mann. Eine gute Kurzgeschichte, die von großer Trauer getragen wird und die Frage aufwirft, was nach dem Tod mit uns geschieht.

In "Stumm" nimmt ein Autofahrer einen Anhalter mit. Weil er glaubt, dass der Tramper taub und stumm ist, redet der Fahrer sich freimütig seinen Kummer von der Seele und zieht besonders über seine Frau her, die ihn hintergangen hat. Doch ist der Anhalter wirklich taub? Eine interessante Idee mit ein paar bösen Hintergedanken, im Endeffekt aber keine besonders spektakuläre Geschichte, vor allem das Ende ist ein klein wenig unbefriedigend.
"Ayana" ist der Name eines kleinen Mädchens, das einem Todkranken einen Kuss gibt - woraufhin dieser wie bei einem Wunder von seiner Krankheit genest. Ein Zeuge dieses Wunders wurde von dem kleinen Mädchen berührt - und hat fortan ebenfalls die Macht, Sterbende zu heilen. Eine anrührende kleine Erzählung mit ein paar magischen Elementen.
Ein wunderbarer, schräger Abschluss ist "In der Klemme". Ein Mann wird von seinem verrückten Widersacher ausgerechnet in einem Dixie-Klo eingeschlossen - und versucht, sich aus dieser äußerst unangenehmen Klemme zu befreien. Wahnsinnig unterhaltsam, aber auch ziemlich ekelerregend - wer Probleme mit ausufernden Fäkal-Beschreibungen hat, wird diese Geschichte vielleicht nicht mögen. Aber sie ist toll erzählt und herrlich infantil. Vor allem hat sich wohl jeder schon mal mit Schaudern gefragt, was man tun würde, wenn man in einem der fiesen blauen Häuschen eingeschlossen wäre.

Bis auf ein paar eher mittelmäßige Erzählungen ist "Sunset" eine wirklich gute Kurzgeschichtensammlung - und sogar die nicht ganz so herausragenden Stories sind gut lesbar, denn King versteht ja zweifellos sein Handwerk. "Sunset" bietet insgesamt wenig Horror, dafür eine gute Mischung aus verschiedensten Genres und Ideen, mit Stimmungen von melancholisch über nervenzerfetzend bis hin zu albern und eklig. Die dreizehn Geschichten wissen gut zu unterhalten und man kann hin- und herblättern und sich das rauspicken, was einem am besten gefällt.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. November 2008 | ISBN: 9783453266049 | Originaltitel: Just after Sunset | Preis: 19,95 Euro | 496 Seiten | Sprache: Deutsch

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