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Gerard Way ist vielen jüngeren Leuten als Bandleader der amerikanischen Gruppe My Chemical Romance bekannt. Weniger bekannt dagegen ist die Tatsache, dass Way die School of Visual Arts in New York besuchte und sich vor seiner musikalischen Karriere als Comiczeichner versuchte. Mit dem ersten Band "Weltuntergangs-Suite" der Superheldenserie "The Umbrella Academy" legt Way zwar nicht seinen ersten, aber vermutlich seinen ambitioniertesten Comic vor, der sogar einen renommierten Eisner Award erhielt.
Die Erwartungen sind also groß, wenn man das schicke Hardcoverbuch von Cross Cult, das im Januar 2009 auf den Markt kam, zum ersten Mal aufschlägt. Die Geschichte beginnt gleich recht bizarr: Überall auf der Welt werden außergewöhnliche Kinder von nicht schwangeren Frauen geboren. Der Wissenschaftler, Millionär und getarnte Außerirdische Sir Reginald Hargreeves adoptiert sieben dieser Kinder und zieht sie nach seinen Vorstellungen auf. Schon im zarten Alter von zehn Jahren retten die sieben Zöglinge, von denen jeder ganz eigene Fähigkeiten besitzt, die Welt - indem sie den scheinbar Amok gelaufenen Eiffelturm (!) zur Strecke bringen.
Doch Jahre später ist die familiäre Harmonie gesprengt. Die Hargreeves-Kinder sind erwachsen geworden, aber jeder lebt sein eigenes Leben. Streitereien und alte Machtkämpfe haben die Adoptivgeschwister auseinandergetrieben. Dann bringt der Tod des Ziehvaters sie alle bei der Beerdigung wieder zusammen
und damit sollen die Schwierigkeiten beginnen. Denn erst die Zusammenkunft der Hargreeves kann die "Weltuntergangs-Suite" auslösen, bei der die siebte der Brüder und Schwestern, Vanya, eine ganz besondere Rolle spielt.
Die 183 Seiten des Comics sind randvoll mit Action, Emotionen und Abenteuern. "The Umbrella Academy" sprüht vor schönen, skurrilen und teils abgründigen Ideen, von denen viele aber leider nur angerissen werden und die entsprechend nicht ihr volles Potenzial entfalten können. Eine Mutter, die eigens zu diesem Zweck geschaffen wurde, ein Vater, dessen Herkunft nie wirklich geklärt wird, die Talente und Besonderheiten der Geschwister und vieles mehr - davon wird die Serie hoffentlich im nächsten Band mehr erzählen, denn zu vieles bleibt im Ungewissen, wird - noch? - nicht näher erläutert und dem Leser wie selbstverständlich präsentiert.
Inhaltlich bleiben zu viele Fragezeichen beim Leser zurück, die teilweise von den tollen Zeichnungen wettgemacht werden können. Besonders gelungen sind die weich gezeichneten Bilder, die die Übergänge zwischen den Kapiteln markieren. Hier entfaltet vor allem der düstere Aspekt der Geschichte seine volle Wirkung. Allerdings stehen dem die kantig-bunten Zeichnungen der eigentlichen Handlung in Sachen Stimmigkeit in nichts nach. Zeichner Gabriel Bá und Kolorist Dave Stewart gelingt eine wilde Mischung aus eckigen Konturen und düsteren, knallbunten Farben, die das Geschehen angemessen zu tragen verstehen.
Was bleibt unterm Strich? Ein knalliger Comic, der seine Superhelden im Stil von "The Watchmen" - die denselben Eisner Award übrigens zwanzig Jahre früher gewannen - als mehr oder weniger gewöhnliche Menschen mit ganz normalen Sorgen und Problemen ausstattet, dabei aber nie die nötige Tiefe erreicht, um vollends zu überzeugen. Stellenweise zu unausgegoren, kann der Fundus an Ideen zumeist unterhalten, wenn auch nicht gänzlich fesseln. Dennoch kann man mit Vorfreude den nächsten Band "The Umbrella Academy: Dallas" erwarten, der das vorhandene Potenzial vielleicht noch besser ausschöpft.