Gesamt |
|
Anspruch | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Nanou ist ein kleines Dorf in Burkina Faso - dichtgedrängt stehen die Lehmhütten auf der rosafarbenen, staubigen Ebene, hier und da wachsen ein paar Sträucher, ein Mangobaum oder ein Baobab. Ganz in der Nähe befindet sich ein vertrockneter Flussarm, in dem die Krokodil-Ahnen wohnen.
Hier lebt die junge Fanta glücklich und behütet zusammen mit ihrer Schwester bei ihrer Großmutter Mâ. Die Mutter der beiden, Delphine, lebt in Paris, wo sie hart arbeitet und verschiedenen Tätigkeiten nachgehen muss, um zu überleben. Mit dem verdienten Geld unterstützt sie dann auch noch die Familie zuhause, ja, das ganze Dorf profitiert zuweilen von ihrer Großzügigkeit. Jedoch, man hat es ihr nie verziehen, dass sie ihren Mann verlassen hat - den sie heiraten musste, weil die Familie es so wollte. Lange Zeit kann Delphine ihre Familie in Afrika nicht besuchen, doch dann ist es endlich so weit und sie hat alle Papiere zusammen. Gespannt stehen sich Mutter und Tochter beim Wiedersehen gegenüber und es stellt sich auch die Frage: Geht Fanta mit ihrer Mutter in die fremde Stadt oder bleibt sie bei ihren afrikanischen Verwandten und Ahnen?
In dem über einhundertfünfzig Seiten starken Hardcover-Buch entführt Marie-Florence Ehret ihre Leser in die afrikanische Welt eines kleinen Dorfes in Burkina Faso. Man ist noch nicht richtig angekommen, da geht es auch schon um schwerwiegende Themen: die Beschneidung der jungen Mädchen - eine Angelegenheit der Frauen, die im Dorf beschönigend als Reinigungsritual bezeichnet wird.
Neben diesem kommen auch noch andere aktuelle Problematiken des afrikanischen Lebens zwischen Tradition und Moderne zur Sprache. Etwa die Notwendigkeit, sein Einkommen im Ausland zu verdienen, weil der heimische Boden nicht mehr genug hergibt, um die ganze Familie zu ernähren; die Korruption der Polizei, Raubüberfälle, Brandrodung oder eine defekte Wasserpumpe - um nur einige zu nennen.
Die Autorin erzählt dies anhand der Geschichte der kleinen Fanta und ihrer weitläufigen Familie. Anhand von Rückblenden erfährt man einiges von den Hintergründen, die dazu geführt haben, dass Fantas Mutter das Dorf verließ. Anschaulich zeichnet Marie-Florence Ehret ein Bild über das Leben im Dorf mit seinen alltäglichen Verrichtungen und den engen verwandtschaftlichen Verstrickungen, die einerseits Vorteile bringen, wenn man vom Einkommen der anderen profitieren kann, andererseits aber für eine starke soziale Kontrolle sorgen. Einige Menschen sind geradezu aufgeklärt, während andere sich noch in der Welt der Mythen und Märchen bewegen. So werden Menschen sogar für ein Unglück verantwortlich gemacht, weil sie sich nicht an die Traditionen gehalten haben und deshalb verflucht sind.
Besonders eindrücklich werden die zwei weiblichen Figuren der Großmutter Mâ und der Mutter Delphine geschildert. Die Großmutter, als machtvolle Matriarchin, die sich über manches hinwegsetzen kann und häufig um Rat gefragt wird, und Delphine, die für das Dorf unvorstellbar viel Geld verdient, nicht nur unabhängig und eigenverantwortlich ist, sondern darüber hinaus auch noch andere unterstützt. Die traditionelle hierarchische Struktur, bei der die Familie über das Leben des Einzelnen bestimmt, bricht im Laufe des Buches immer mehr auf, was sich in der Liebesgeschichte von Fantas Schwester mit einem jungen Dorfbewohner zeigt und auch darin, dass man Fanta das Recht zugesteht, selbst zu entscheiden, ob sie mit ihrer Mutter geht oder im Dorf bleibt.
Das Buch ist in einer leicht verständlichen Sprache geschrieben, die an einigen wenigen Stellen leider ein wenig an Schwung und Flüssigkeit verliert. Das Buch wird für Kinder ab zwölf Jahre empfohlen, was aufgrund des Themas auch angemessen ist, sollte aber sicher nicht ohne erwachsene Begleitung gelesen werden. Es ist schon deshalb lesenswert, weil es die afrikanische Kultur näher bringt und hier einen sehr tiefen differenzierten Eindruck vermittelt. In einer Welt, in der mehr als je zuvor deutlich wird, wie sehr alle und alles zusammen hängen und voneinander abhängig sind, kann nicht genug getan werden, um Kindern andere Länder und ihre Kulturen so früh wie möglich nahe zu bringen, sie kennen zu lernen und Verständnis und Toleranz zu entwickeln. Hier leistet der Peter Hammer Verlag mit seinen Büchern aus und über Afrika sicherlich einen großen Beitrag, gerade für junge Leser. Und auch dieses Buch wird dazu beitragen.