Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Tag für Tag erleben Menschen auf der ganzen Welt einen Albtraum, wie ihn die schlimmsten Horrorfilme nicht nachahmen können. Als Prostituierte misshandelt oder wegen ihrer Jungfräulichkeit an den Meistbietenden verkauft, erleben minderjährige Mädchen die Hölle auf Erden, ebenso wie mittellose Männer und Frauen, die durch ihre Armut in die illegale Sklaverei getrieben werden. Völlig fassungslos ist man ob der Konfrontation mit solch schrecklichen Themen und umso erleichterter, wenn man liest, dass es Menschen gibt, die die Kraft, den Mut und das Können haben, dagegen vorzugehen. Einer dieser Menschen ist Gary A. Haugen, Präsident der International Justice Mission, kurz IJM. Er und seine Kollegen haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Unterdrückten, Versklavten und Ausgenutzten dieser Welt aus ihrer Misere und in ein neues, friedvolles Leben zu helfen.
Das beim Brunnen Verlag erschienene Buch "Freiheit für Linh - Die riskante Undercover-Operation zur Rettung aus Kinderprostitution und moderner Sklaverei" von Gary Haugen in Zusammenarbeit mit Gregg Hunter hat es sich nicht zur Aufgabe gemacht, Werbung für IJM zu machen oder die Organisation vorzustellen. Vielmehr möchte der Autor mit seinem erschütternden Bericht aufrütteln und zeigen, dass solch unvorstellbare Formen von Gewalt und Menschenverachtung auch heute noch ein wichtiges und brandaktuelles Thema sind.
Wenngleich die 272 Seiten des Buches in viele kürzere Kapitel unterteilt sind, behandelt nicht jedes davon ein anderes Thema oder einen anderen Aspekt der Arbeit von IJM. Vielmehr gibt es einen roten Faden, der durch das Buch führt und immer wieder von anderen Elementen unterbrochen wird. Dieser rote Faden ist eine ganz besondere Mission, nämlich die Rettung der festgehaltenen Mädchen aus Svay Pak. Svay Pak, eine Barackenstadt in Kambodscha, die traurige Berühmtheit als beliebtes Ferienziel von Pädophilen erlangte. Schritt für Schritt begleitet der Leser Haugen und seine Kollegen bei dem verzweifelten Versuch, Informationen und Beweise zu sammeln, um Svay Pak als überdimensionales Bordell zu sprengen; nicht selten müssen die Mitarbeiter von IJM herbe Rückschläge erleiden und sind dennoch nicht von ihrem Vorhaben abzubringen.
Daneben erfährt der Leser aber auch viel über wichtige Mitglieder der Organisation - die, ebenso wie gerettete Menschen, teilweise mit Decknamen benannt werden, um ihre Identität zu schützen -, die Arbeitsweise bei bestimmten Einsätzen und Probleme mit den Verwaltungseinheiten der jeweiligen Einsatzländer. Auch das Thema der Korruption wird im Zusammenhang angeschnitten, denn, so erklärt Haugen, nur in Gebieten mit korrupter Polizei ist es beispielweise für einen Kinderhändlerring möglich, wirklich ungestört und profitreich zu arbeiten. Hinzu kommen Berichte über andere Einsätze, die zur Rettung von unschuldigen Menschen geführt haben.
Das Buch ist in einem angenehmen Romanstil verfasst und sieht von nüchternen Tabellen oder Listen, die das Gesagte noch mal optisch darstellen, ab. Teilweise liest es sich wie ein Krimi, mit den Guten und den Bösen, den Verbrechen und der Rettung der Opfer. Dann aber wird einem immer wieder bewusst, dass alles, was in diesem Buch steht, grausame Realität ist, keine Fiktion, die man nach Weglegen des Buches schnell wieder vergessen kann. Diese Verbrechen spielen sich täglich irgendwo auf der Welt ab, und Menschen wie Haugen versuchen, dagegen anzukämpfen.
Der Autor muss dabei keine blutigen, ekelerregenden Details beschreiben, um den Leser aufzurütteln. Die Wahrheit in den Worten dieses Buches ist schlimm genug, es bedarf keiner drastischen Schilderungen oder schonungsloser Beschreibungen von missbrauchten Mädchen, gequälten Frauen und gefolterten Männern. Die Willkür und der Machtmissbrauch in diesem Zusammenhang wirken gruseliger als jeder Horrorroman. Zugleich lernt der Leser die Organisation IJM kennen, ihre Arbeitsweisen und Methoden und wird dazu angeregt, sich selbst weiter mit dem Thema zu beschäftigen.
Der christliche Aspekt dieser Einsätze für Menschen in Notsituationen wird immer wieder stark betont. Sogar Bibelstellen werden zitiert; wer mit Kirche und Glauben nicht viel anfangen kann, wird diese starke Anlehnung an christliche Glaubenssätze und die Bibel vielleicht als störend empfinden. Allerdings machen sie einen wichtigen Bestandteil der Motivation der vielen Helfer und Mitarbeiter aus.
Am Ende des Buches gibt es sogar noch eine Handvoll Bilder, die unter anderem kurz zuvor aus einem Bordell befreite Mädchen zeigen - Fotos, die Hoffnung auf eine bessere Welt machen.
"Freiheit für Linh" zeigt, wie Menschen anderen Menschen helfen können, indem sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, unglaubliche Anstrengungen bewältigen müssen - und am Ende vielleicht sogar in einzelnen Fällen scheitern. Aber jedes gerettete Leben überwiegt alle Mühen, die dafür in Kauf genommen werden. Diese Aussage vermittelt Gary A. Haugen in seinem Buch, das aufrüttelnd und erschütternd zugleich ist und doch diesen wichtigen Kern an Hoffnung birgt.