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Wilhelmina Sunshine Upton, kurz Willie, hätte nicht gedacht, dass sie so schnell in ihre Heimat zurückkehren würde. Doch ihr Studium verlief nicht unbedingt so wie geplant, denn statt sich auf das Lernen zu konzentrieren, schlief sie mit ihrem Professor und erwartet nun ein Kind von ihm.
Also wendet sie allem den Rücken zu und sucht Unterschlupf in Templeton, ihrer Heimatstadt. Ihre Mutter Vivienne, die von allen nur Vi genannt wird, ehemaliger Hippie-Teen mit jeder Menge Drogenerfahrungen und mittlerweile zum Glauben konvertiert, nimmt Willie bei sich auf, wartet jedoch mit einer weiteren unliebsamen Überraschung auf: Willie entstammt nicht, wie man ihr bisher immer erzählt hat, den wilden Hippiezeiten und einer Ménage à quatre. Sie hat also keine drei Väter, wie sie in der Vorschule immer stolz berichtete, sondern nur einen - und der stammt auch noch aus Templeton! Allerdings will Vi nicht verraten, wer es ist; nur, dass er, ebenso wie Vi und Willie, in direkter Linie vom Stadtgründer Marmaduke Temple abstammt. Jeder könnte also Willies Vater sein, von einem der Laufkumpels, die jeden Morgen ihre Runde joggen, über Väter von Freundinnen aus der Schule bis hin zum Bürgermeister.
Willie schiebt ihre eigenen Probleme mit dem ungeborenen Kind in ihrem Bauch und der unglücklichen Liebe zu ihrem Professor beiseite und stürzt sich in die Nachforschungen. Kein Tagebuch, keine Notizen ihrer Vorfahren sind noch vor ihr sicher, alles wird akribisch durchgelesen. Und so kommt sie dem Geheimnis immer näher. Währenddessen findet man im Flimmerspiegelsee, an dem die Stadt erbaut wurde, die Leiche eines Monsters
Lauren Groff entwirft das schillernde Porträt einer Stadt, ihrer Geschichte und ihrer Einwohner. In der Vorbemerkung erzählt sie, dass der Roman ursprünglich von ihrer Heimatstadt Cooperstown handeln sollte, sich aber dann verselbständigte und letztendlich die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion verschwammen. Diese Herkunft merkt man dem Roman an: Die Liebe zum Detail und die vielen kleinen Informationsstückchen verleihen der Geschichte Glaubwürdigkeit. Hin und wieder kann man bei der Vielzahl der Namen und den verschiedenen Verbindungen zwischen den zahlreichen Charakteren, von denen berichtet wird, den Überblick verlieren und ist auf die Stammbäume, die Willie immer weiter vervollständigt, regelrecht angewiesen. Zu den ein- und später sogar doppelseitigen Stammbaumübersichten gibt es sogar Fotos und Zeichnungen zu entdecken, die die Authentizität der Handlung immer wieder unterstreichen. Diese kokettiert immer wieder mit phantastischen Elementen, die so beiläufig und selbstverständlich eingewoben sind, dass beide zusammen eine Einheit bilden. Ob der Handlungsstrang um das Monster aus dem See oder Willies Erfahrungen mit dem Geist, der angeblich in ihrem Familienhaus spukt, diese wundersamen Bestandteile fügen sich nahtlos ein und passen so gut, dass der Glaubwürdigkeit kein Schaden zugefügt wird. Phantastik-Fans sollten allerdings aufpassen: Das Phantastische reduziert sich auf einige wenige Passagen; im Mittelpunkt stehen ganz klar Willies Familienforschung, die Suche nach ihrem Vater und die vielen kleinen Geschichten der Stadt.
Die Geschichte wird aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt. In der Gegenwart ist es Willie, deren Nachforschungen der Leser verfolgt und die den zentralen Handlungsstrang dominiert; andere Kapitel, zumeist in der Vergangenheit spielend, werden von Familienmitgliedern erzählt, zumeist in Tagebuchform. So taucht man immer tiefer in die komplexe Entwicklung der Familie Temple, lernt einen Verwandten nach dem anderen kennen und erfährt mehr über Willies Herkunft. Und so rückt die Antwort der Frage, wer nun ihr Vater ist, in immer greifbarere Nähe, auch wenn sie letztlich nicht dieselbe Wichtigkeit erfährt wie der Weg dorthin.
Ein Sonderlob geht an die Aufmachung des Romans: Das Cover des Schutzumschlags ist rundum gelungen und hübsch anzusehen, zeigt sich verspielt und trifft den Inhaltskern doch ganz präzise. Zudem wartet das in Hardcover gebundene Buch mit einem Lesebändchen auf - besser kann man einen Roman optisch kaum gestalten.
Mit "Die Monster von Templeton" legt Lauren Groff einen vielschichtigen, lesenswerten Roman vor, in dem es sich durch seine Sprachpoesie und seine sympathischen Charaktere gemütlich schwelgen lässt. Ein üppiges, komplexes, aber nicht sperriges Werk, das nur wenige Schwächen vorzuweisen hat.