Alfred Hitchcock gilt als einer der größten Filmemacher aller Zeiten. Sein Talent für das Filmemachen im Allgemeinen und sein untrügliches Gespür für den Suspense im Besonderen haben ihn zum Vorbild so mancher Generation von Regisseuren werden lassen. Kaum jemand seines Berufsstandes hat seine Arbeit mit solcher Akribie und Präzision verrichtet wie Hitchcock.

Und so machte sich der französische Regisseur François Truffaut daran, das Mysterium Hitchcock mittels zahlreicher Interviews zu entschlüsseln. 1966 erschien zum ersten Mal das Buch "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?", in dem der Altmeister seinem französischen Kollegen Rede und Antwort steht. Diese Originalfassung wurde jedoch im Laufe der Jahre durch Briefwechsel und Gespräche zwischen den befreundeten Regisseuren bis 1983 immer wieder erweitert.

Bisher erschien die Interviewsammlung in zahlreichen Fassungen und Auflagen und gilt bis heute als wichtigstes Werk zu Alfred Hitchcocks Leben und Wirken. Darüber hinaus werden die Zwiesprachen der beiden Regisseure immer wieder zitiert, wenn es um filmwissenschaftliche Aspekte geht. Genug gute Gründe also für den Heyne Verlag, den Klassiker im Taschenbuchformat und in aktualisierter Form auf den deutschen Markt zu bringen. Im Vergleich zu vorigen Ausgaben, die bei Heyne erschienen sind, beschränken sich die Änderungen auf eine Reduzierung der Anzahl an Bildern.

Nach einem Vorwort zur vollständigen Ausgabe aus dem Jahr 1983 - ein Jahr später starb Truffaut - sowie dem Originalvorwort der ersten Ausgabe von 1966 folgen die chronologisch geordneten Interviewbeiträge. Insgesamt gibt es sechzehn in sich abgeschlossene Teile, die neben Hitchcocks Filmen, seinen Arbeitsmethoden, seinen Marotten - etwa, dass er in jedem seiner Filme einen kurzen Auftritt hat - und seinen besonders herausragenden Regiemomenten auch seine Kindheit, sein Leben und seine Ängste behandeln. Allerdings steht die filmische Arbeit ganz klar im Vordergrund; letztendlich kommen Truffaut und Hitchcock bei jedem Thema zurück auf das Cineastische, alles dreht sich um den Film. Fragender wie Befragter behandeln allgemeine Themen wie der Suspense, die Rolle des Schurken im Film oder die Wichtigkeit von Authentizität mit genauso viel Leidenschaft und Intensität, wie sie einzelne Filme besprechen, regelrecht sezieren und von allen Seiten beleuchten. Abbildungen von Filmszenen und ganz wenige private Fotos von Hitchcock vervollständigen zusammen mit einem Nachwort, einer Filmografie und Bibliografie, einem Film- und einem Namenregister das Taschenbuch.

Natürlich hilft es bei vielen Wortwechseln der beiden Filmexperten, bereits über ein gewisses Maß an Vorwissen zu verfügen und Hitchcocks Filme zu kennen. Beides ist jedoch nicht zwingend notwendig, sind die teilweise dialogartigen Interviews insgesamt doch auch für Laien gut verständlich und in unterhaltsam-lockerem Tonfall verfasst, der schnell vergessen lässt, dass sich hier zwei absolute Meister der Regiearbeit gegenüberstehen. Man fühlt sich regelrecht an kurzweilige Plaudereien zweier Filmliebhaber erinnert. Und so lernt man nicht nur den Menschen Hitchcock und seine außergewöhnliche Arbeit näher kennen, sondern erfährt zugleich unglaublich viel Wissenswertes über das Filmemachen, das man sich sonst mühsam aus trockenen Lehrbüchern aneignen müsste.

Jedem Filmliebhaber, Cineasten und Filmwissenschaftler kann "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?" nur wärmstens empfohlen werden. Eine solche Fülle an theoretischen wie praktischen Ratschlägen für das Filmen und den Film, unterhaltsamen Anekdoten aus der Filmwelt und geistreichen Wortwechseln in solch kurzweiliger Form von zwei solch großen Regisseuren wird es wohl so bald nicht wieder geben - wenn es überhaupt jemals ein vergleichbares Werk geben wird.