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Sanft schlagen die Meereswellen an die Grundmauern des einsamen Hauses. Mitten in den Weiten des Ozeans leben ein Maler und eine Cellistin. Sie übt täglich mit dem Blick auf die Wellen, er zeichnet am liebsten Bewohner des Meeres. Dabei sind es immer öfter Fantasiegestalten, die in seinem Inneren Gestalt annehmen und zu Bildern werden.
Eine seiner Passionen ist der Fischfang. Des Öfteren fährt er mit den kleinen Fischkuttern mit auf die weite See und betrachtet die Männer bei ihrem Tun. Viele Bilder entstehen bei diesen Fahrten, nicht immer zeigen sie die Realität. Auch heute bricht der Maler im Morgengrauen mit den Fischern auf. Nachdem die Männer viele Stunden gefischt haben, fangen sie ein Wesen, das nicht gefangen werden darf. Es ist ein Mythos, ein unsterbliches Ding, das die Seelen der ertrunkenen Seeleute in sich aufnimmt. Obwohl einer der Fischer das Wesen wieder in die Fluten wirft, ist ihr aller Schicksal besiegelt. Der aufkommende Sturm hat nur ein Ziel, den Untergang des Schiffes und den Tod aller Männer an Bord. Auch der Maler wird von der gewaltigen Welle, die das Schiff verschlingt, mit in die Tiefe gerissen. Doch auf ihn wartet nicht der Tod, sondern seine von ihm imaginierte Unterwasserwelt. Die Wesen, die er nur in seiner Fantasie erschaffen hatte und die nicht in die Realität gehören, werden lebendig. Die Nixe, die er oft gemalt und von der er immer wieder geträumt hat, schwimmt auf ihn zu und nimmt ihn mit in die unendlichen Weiten und Tiefen einer Welt, die der Maler schon immer gekannt hat.
Miguelanxo Prado, Zeichner der Bilder in diesem prachtvoll ausgestatteten und in exzellenter Druckqualität erschienenen Band "De Profundis" ist eine Berühmtheit unter den Comic-Künstlern dieser Welt. Seine Werke sind Kult, sein Schaffen legendär. Auch die vorliegende Arbeit ist eine Ansammlung grandioser Gemälde und Kunstwerke. Weniger ein Comic als eine Reise durch ein lebendig wirkendes Museum ist dieses Buch. Jedes einzelne Bild ist eine Offenbarung und lässt den Blick lange nicht mehr los. Hinzu tritt ein Text, der rhythmisch und schwingend wie eine begleitende Musik eine Geschichte erzählt, die zwischen Wahn und Wirklichkeit, zwischen Fantasie und Schicksal zu schweben scheint. Kaum glaubt man Gewissheit erlangt zu haben über deren Sinn und Ziel, wird alles durch ein einzelnes Bildfragment in Frage gestellt und widerrufen.
Der Titel, entlehnt aus dem einhundertdreißigsten Psalm der Lutherbibel "de profundis clamavi ad te Domine" (Aus der Tiefe rufe ich HERR zu dir) ist Programm. Aus der Tiefe des Meeres wie der Seele dringt diese Geschichte an die Augen des Betrachters und löst die unterschiedlichsten Emotionen aus. Faszination, Melancholie und tiefgreifende Irritation macht sich beim Leser breit, der diese Pfade noch in keiner anderen Geschichte vorgezeichnet sah. Hier hat Miguelanxo Prado ein Werk geschaffen, das seinesgleichen sucht.
Hat man das Buch durchgeblättert, vorgelesen und verinnerlicht, wartet eine weitere Kostprobe der Kunst Prados auf den Leser. In einer Papiertasche auf dem hinteren Einband findet man eine DVD, die den gleichnamigen Zeichentrickfilm "De Profundis" enthält.
Und auch wenn man von der Visualisierung der Bilder wahrscheinlich enttäuscht sein wird - eigentlich hat man nur mit Computereffekten verformte und scheinbar sich verändernde Bilder Prados aneinandergereiht - so ist doch auch dieser Film ein eigenständiges, beeindruckendes Kunstwerk geworden. Nicht wegen der Bilder oder dem hier fehlenden Text, nicht wegen der Animation von Victor Galdón und seinem Team oder der enormen Länge von fünfundsiebzig Minuten, sondern einzig und allein wegen der wirklich atemberaubenden Musik.
Nani García hat die Geschichte in eine neue, musikalische Form gegossen. Ihm gelingt es - ohne jede Textzeile -, diese Geschichte so klar herauszuarbeiten, dass man kaum entscheiden kann, wie man dieses Gesamtkunstwerk aus Comic und Musik am besten genießen sollte.
Vielleicht ist die größte Wirkung gegeben, wenn man die Bilder, blätternd in dem wunderschönen Comicband, betrachtet und dazu die Musik einspielt. So erhält sich die mythische und geheimnisvolle Stimmung der Bilder und so kommt die Musik voll zur Geltung - ohne Computertricks, virtuelle Kamerafahrten in die Bilder hinein und verzerrte Fragmente, die man eigentlich nicht sehen möchte.
In jedem Fall ist der Band "De Profundis" ein sehr empfehlenswertes Werk Miguelanxo Prados, das weniger Comic als Kunst ist - garniert von der exzellenten Musik von Nani García.
Und auch wenn der Text gewöhnungsbedürftig ist, sollte man unbedingt die Übersetzung von Joaquim Balada Hartmann wie ein Gedicht vortragen - die Wirkung, die dies auf die Wahrnehmung der Bilder hat, ist verblüffend.