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Wie zuverlässig ist die Bibel, wenn man sie als historische Quelle betrachtet? Die Frage ist komplizierter, als man zunächst denkt; denn vor allem das alte Testament verstand sich stets als teils religiöser Text, teils als Chronik des jüdischen Volks und verrät viel über die alten Kulturen des Vorderen Orients, über das alte Babylonien, Ägypten und Sumerien. Auf der anderen Seite wurden viele Inhalte der Bibel über Jahrhunderte hinweg mündlich weitergegeben und erst später niedergeschrieben, weshalb viele Forscher die Zuverlässigkeit historischer Inhalte anzweifeln.
Der britische Archäologe und Orientialist Kenneth A. Kitchen unternimmt nun in einem dickleibigen Buch den Versuch, die Glaubwürdigkeit des Alten Testaments zu belegen, in dem er nahezu alle Namen, Fakten und Sachangaben des Buchs einer Prüfung unterzieht. Ganze Königslisten, Schlachtschilderungen und geografische Hinweise vergleicht Kitchen mit entsprechenden Informationen, die sich aus anderen Quellen oder aus archäologischen Ausgrabungen ergeben. Er wagt etymologische Namensvergleiche und stellt einzelne Passagen des Alten Testaments in grössere Zusammenhänge. Was genau hat es mit der sagenumwobenen Königin von Saba auf sich? Wie waren die politischen Verhältnisse in Moab und Edom? Welche ausserbiblischen Texte weisen auf die Josef-Figur hin?
Das Ganze ist natürlich in erster Linie eine ungemeine Fleissarbeit, die Kitchens hier angestellt hat, und die Frucht vieler Forschungsjahre. Doch natürlich verfolgt Kitchen eine klare Intention mit diesem Buch - die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Alten Testaments zu zerstreuen und damit indirekt ihren Heilsanspruch zu bestätigen. Dabei findet er sich in direkter Konfrontation mit anderen Historikern, die an der Glaubwürdigkeit biblischer Texte zweifeln. Gerade in den letzten Kapiteln greift Kitchens seine Kontrahenten, darunter Thomas L. Thompson, Niels Peter Lemche, Israel Finkelstein und Neil Asher Silberman, frontal an und versucht, ihre Argumente zu widerlegen. Das gelingt ihm mal mehr, mal weniger. Denn auch Kitchen trickst an vielen Stellen, wenn er Namenskongruenzen überbewertet oder Widersprüche zwischen biblischen und ausserbiblischen Stellen für irrelevant betrachtet. Gerade sein Eifer am Ende des Buchs konterkariert seine grossen Verdienste wieder ein Stück weit - und zeigt, dass die biblischen Texte ein Zankapfel sind und bleiben. Die Wahrheit liegt wohl am ehesten in der Mitte, zwischen Thompson und Kitchen, und wer sich für die historische Plausibilität des Alten Testaments interessiert, sollte am besten beide Werke zu Rate ziehen (also das hier besprochene und Thomas L. Thompsons "A mythic past").
Davon abgesehen: eine hochspannende und unglaublich reichhaltige Untersuchung, die der christliche Brunnen-Verlag in sehr guter Übersetzung und Aufmachung vorgelegt hat. Wer sich aus wissenschaftlichem oder religiösem Interesse mit dem Thema beschäftigen will, sollte einen Blick in dieses voluminöse - wenn auch leider nicht ganz billige - Buch wagen.