Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Sherlock Holmes und Dr. Watson werden durch eine mysteriöse Nachricht von Mycroft Holmes, dem Bruder des Meisterdetektivs, nach Schottland beordert. Genauer, zur dortigen königlichen Residenz - Holyroodhouse. Zwei angesehene Männer aus dem Umfeld der Königin, die mit der Restaurierung des geschichtsträchtigen Westturms beauftragt waren, wurden auf grausame und bestialische Art und Weise ermordet. Ist der Geist des toten italienischen Sekretärs der schottischen Königin Mary Stuart für die Bluttaten verantwortlich? Sherlock Holmes ermittelt in einem seiner brisantesten Fälle und deckt ein Verbrechen von unmenschlicher Grausamkeit auf ?
Caleb Carr ist der Erfinder des genialen, psychologischen Ermittlers Dr. Kreisler, der, ebenso wie Holmes, im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert lebt und arbeitet. "Das Blut der Schande" ist Carrs erster Holmes-Roman und sollte eigentlich im Rahmen einer Anthologie als Kurzgeschichte erscheinen, wie Jon Lellenberg in seinem Nachwort schreibt. Carr zeichnet ein sehr lebendiges und glaubhaftes Bild der beiden Freunde Sherlock Holmes und Dr. Watson und setzt die liebgewonnene Tradition fort, auch dieses Abenteuer aus der Sicht von Dr. John H. Watson zu schildern. Die Geschichte beginnt typischerweise in der gemeinsamen Wohnung in der Baker Street 221 B, und Watson muss einmal mehr einschreiten, um einen Streit zwischen Holmes und seiner Haushälterin Mrs. Hudson zu schlichten, die ebenso zum Inventar des Meisterdetektivs zählt wie sein persischer Pantoffel oder seine Violine. Auf den Fall selbst wird Holmes durch niemand Geringeren als seinen sieben Jahre älteren Bruder Mycroft aufmerksam, einem alteingesessenen Mitglied des Diogenes Clubs, der erstklassige Verbindungen zum britischen Geheimdienst unterhält. Gemeinsam verschlägt es die drei Männer nach Schottland, dessen Geschichte wie kaum eine andere in Großbritannien mit Blut geschrieben wurde. Die perverse Brutalität, mit der die beiden Morde begangen wurden, lassen den bodenständigen, tadellosen und ehrbaren Dr. Watson vor Grauen erbleichen, während Holmes ein weiteres Mal zu reinem Geist und logischem Denken wird. Die Art und Weise, in der Holmes den Fall aufrollt und die Täter entlarvt, hätte von Sir Arthur Ignatius Conan Doyle selbst stammen können, der zu Lebzeiten ein reges Interesse an der jenseitigen Welt hegte. Nur in der stilistischen Umsetzung der Handlung legt Caleb Carr eine ausschweifende, bisweilen sehr detailverliebte Schreibe an den Tag, die den Lesefluss zuweilen ins Stocken geraten lässt. In puncto Recherche sitzt der Autor hingegen fest im Sattel und verblüfft mit vielen historischen Informationen, die solcherart in die Handlung integriert wurden, dass der Leser nicht das Gefühl hat, eine geschichtliche Abhandlung zu lesen. Dabei legt er gerne auch mal eine falsche Spur, um den Leser und schließlich auch Dr. Watson zu verwirren, während Holmes die Zügel fest in Händen hält, sich aber, wie so oft, nicht in die Karten schauen lässt. Eine Anspielung auf seinen berühmtesten Fall, "Der Hund der Baskervilles", fehlt indes auch nicht, und es gereicht dem Mörder zur Ehre, mit dem raffinierten Bösewicht Stapleton aus Devonshire verglichen zu werden. Ein gelungener Sherlock-Holmes-Roman, der eine wahrhaft gespenstische Atmosphäre zu bieten hat, sich bisweilen aber zu stark in den Beschreibungen und Spekulationen von Dr. Watson verrennt. Ein ausführliches Nachwort von Jon Lellenberg, dem amerikanischen Nachlassverwalters von Sir Arthur Conan Doyle vervollständigt das Buch.
Gebunden mit Schutzumschlag, ist dieser Heyne-Roman überaus handlich und wartet mit einem festen, hochwertigen Papier auf. Schriftgröße und Lektorat erweisen sich als optimal und lassen keine Wünsche offen. Die Grafik auf dem Schutzumschlag zeigt Holyroodhouse hinter dem schmiedeisernen Tor inmitten der schottischen Landschaft. Unheimlich und stimmungsvoll, wie die Geschichte selbst.
Fazit:
Mysteriöser und brisanter Fall für Sherlock Holmes, der einmal mehr zum Geisterjäger wird und dabei einen ganz und gar menschlichen Übeltäter entlarvt. Fundiert recherchiert und atmosphärisch dicht erzählt, besitzt die Geschichte trotzdem ihre Längen. Nichtsdestotrotz wäre Sir Arthur Conan Doyle über diesen Tribut sicherlich hocherfreut.