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Im Jahre 2008 verfasste Perry Anderson drei Essays in der London Review of Books über die moderne Türkei und ihre Wurzeln seit 1900, die nun unter dem Titel "Nach Atatürk. Die Türkei, ihr Staat und Europa" in deutscher Übersetzung bei Barenberg erschienen sind.
Das Buch teilt sich dabei in drei Kapitel, die gleichzeitig für drei Epochen stehen:
"Der Kemalismus", "Nach Kemal" und "Die Teilung Zyperns".
Dabei legt der Autor die Finger in die Wunde und zeigt, wo der türkische Staat noch Defizite aufweist, etwa beim autoritären Regierungsstil. Gleichzeitig werden aber auch die Leistungen des Kemalismus und der Türkei aufgezeigt, nämlich einen recht modernen Staat geformt zu haben, dessen Bürger längst in Europa angekommen sind - und dies nicht nur als Auswanderer und Gastarbeiter.
Der Stil entspricht der Herkunft der Texte: Die Essays sind gut geschrieben und zeugen vom Können des Autors, ein Thema gut, verständlich und spannend zu vermitteln. Die immer mal wieder vorkommenden Spitzen der Texte wirken allerdings öfter polemisch und drohen manchmal über das Ziel, Diskussionen anzuregen, hinauszuschießen.
Einen Nachteil hat das Buch dann noch: Die drei Kapitel bilden Fließtexte, die ohne weitere Unterteilungen auskommen. Wer also keinen allzu langen Atem oder einfach nicht die Zeit hat, 58 Seiten am Stück zu lesen, der wird schnell aus den Texten gerissen.
Hier wären Unterkapitel hilfreich gewesen, um den Gedanken des Autors noch besser folgen zu können und so den Text für den Leser besser zu strukturieren.
Auch hätten hier und da einige Abbildungen oder vielleicht auch mal eine Tabelle den Essays nicht geschadet und die Beiträge auch für interessierte Leser leichter zugänglich gemacht.
"Nach Atatürk" ist ein interessantes Buch, das viel über die moderne Türkei verrät und sicher auch viel Diskussionsstoff liefert - schließlich ist ein Essay auch immer Meinungsbildung.
Allerdings wäre eine etwas weniger schnörkellose Präsentation der Texte wünschenswert gewesen, um durch Unterkapitel oder auch das eine oder andere Bild einen angenehmeren Leserhythmus zu generieren. Mit dem derzeitigen Layout drohen die Texte durch ihre reine Länge allzu trocken zu wirken.
Trotzdem eine Leseempfehlung für alle, die sich mit dem möglichen EU-Beitritt der Türkei beschäftigen.